Biografie

Merzbow

11/08/2009 2009-08-11 13:40:37 JaME Autor: Jerriel Übersetzer: Geisha

Merzbow

Merzbow


© Jenny Akita
Masami Akita wurde 1956 in Tokio geboren. Während er die High School besuchte, interessierte er sich für Progressive Rock, Free Jazz und Psychedelic Music und drummte in verschiedenen Bands, bevor er die Tamagawa University besuchte, um dort Moderne Kunst und Architektur zu studieren. Während dieser Zeit spielte er lange improvisierte Rock Sessions mit seinem High School Freund Kiyoshi Mizutani.

1979 nahm Akita die ersten Kassetten mit elektro-akustischer Musik unter dem Namen Merzbow auf. Er gründete das Label Lowest Music & Arts, um seine Aufnahmen anderen Undergroundkünstlern zugänglich zu machen und mit ihnen arbeiten zu können. Diese Kompositionen bestanden aus Bandschleifen und von Akita zuvor aufgenommenen Sounds von Gitarren oder Schlagzeug.

Bei seinen Bemühungen wurde er bald erneut von Kiyoshi Mizutani unterstützt. Ziel der beiden war es, jegliche Interaktion des menschlichen Körpers bei der Erzeugung von Musik zu unterdrücken, weshalb sie ausschliesslich zuvor aufgenommene Tonbänder verwendeten, die sie dann miteinander kombinierten. Auf diese Weise spielten sie keins der Instrumente live ein. So wurden bei einer ihrer Methoden zur Erzeugung von Sounds, "Material Action", mehrere kleine Sounds mit einem Mikrophon aufgenommen und dann verstärkt und verzerrt. Die Bilder, die mit den Kassetten zusammen verkauft wurden, waren Montagen aus Comics und Pornomagazinen, die sie in Mülltonnen gefunden hatten. Damit benutzten sie erneut einen ästhetischen Ansatz von Kurt Schwitters: den Merz, eine heterogone Montage. Sie wollten mit diesem Prozess in ihrem Publikum die Erregung erzeugen, die man fühlt, wenn man unerwartet ein Pornomagazin findet. Seit Beginn des Projekts bestand also eine Verbindung zwischen der Musik von Merzbow und Pornographie. Akita zufolge ist Pornographie die unterbewusste Seite des Sex, die zwanghaft und "natürlicher" ist. Noise ist die unterbewusste Seite von Musik, die danach strebt, die Ekstase des Sounds fernab jeglicher Überlegungen von Struktur oder "Rationalität" hörbar zu machen.

1984 gründete Akita ein zweites Plattenlabel, ZSF Produkt, auf dem er neue Künstler unter Vertrag nehmen wollte, benutzte es jedoch auch für seine eigenen Werke. Er erhielt nun weltweit Anerkennung und machte Aufnahmen für verschiedene internationale Plattenfirmen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Independentkünstlern.

Ende der 80er begann Akita, sich von seinem ursprünglichen Ideal, den Beitrag des Körpers beim Aufnahmeprozess transparent zu machen, zu entfernen. Er unternahm mehrere internationale Tourneen, die ihn unter anderem nach Europa, Korea und in die USA führten. In den 90ern bestand das Line-up von Merzbow bei Liveauftritten neben Akita aus den beiden Sessionmitgliedern Reiko Azuma (Akitas erste Frau) und Bara, die jeweils fürs elektronische Programming und für Gesang und Tanz zuständig waren. Etwa zu dieser Zeit begann er auch, das Pseudonym Abtechtonics (oder Variationen dieses Namens) zu benutzen, wenn er das Artwork auf Merzbows Alben selbst gestaltete.

Während Kiyoshi Mizutani sich zu Beginn der 90er nur noch sporadisch an Merzbow beteiligte, begann Akita, mit digitalen Aufnahmetechnologien zu arbeiten. Der neue Sound war vielseitiger und intensiver und beinhaltete vor allem auch "Weissrauschen" (sämtliche vorhandenen Frequezen wurden gleichzeitig und mit der selben Lautstärke gesendet), aus welchem Merzbows berühmte "Walls of Sound" entstanden. Deren Sound war so dicht, dass er undurchdringlich schien. Die meisten CDs dieser Periode wurden mit brachialer Lautstärke abgemischt, damit sie besonders aggressiv klangen. So erzeugte die Reichhaltigkeit der Klangelemente auf CDs wie "Venereology", die sowohl Töne aus Ultra- als auch Infraschallbereichen enthielten, gepaart mit der Dichte der Loops eine beeindruckende Brutalität. Akita arbeitet auch mit verschiedenen anderen Künstlern zusammen, unter anderem mit Maso Yamazaki, auch bekannt als Masonna, mit welchem er die Bands Bustmonster und Flying Testicle gründete, sowie mit Mike Patton von Faith No More unter dem Namen Maldoror.

1990 führte er bei dem Kurzfilm "Shitsurakuen: jôbafuku onna harakiri" ("Lost Paradise") für die Serie "Zankoku-bi: onna harakiri" des Filmstudios Kinbiken Regie. Ziel der Filmserie war es, den Erotic Gore Markt, der zu der Zeit rapide wuchs, von einer weniger "traditionellen" Seite anzugehen, indem er Frauen beim rituellen Selbstmord voller düsterer Sinnlichkeit darstellte. Akita komponierte selbstverständlich auch den Soundtrack, der im folgenden Jahr auf dem Album "Music for Bondage Performance" veröffentlicht wurde.

Im Jahr 2000 unternahm die australische Plattenfirma Extreme einen Werbefeldzug, wie es ihn in der Geschichte der Musikindustrie noch nie gegeben hatte: die Kompilation "Merzbox" enthielt 50 CDs, von denen 20 bisher unveröffentlichte Remixes von Kassetten oder LPs aus der ersten Schaffensphase von Merzbow, und die anderen 30 CDs einzigartige Aufnahmen enthielten. Dazu gab es ein T-Shirt, Poster, ein Buch über die Aufnahmen, ein Medallion, Postkarten, Aufkleber und zwei CD-ROMs. Einer Anekdote zufolge sendete ein amerikanischer Amateur-Radiosender im Dezember 2002 die gesamte "Merzbox" non-stop - mehr als 50 Stunden Musik! Diese Kampagne stellte den Beginn von mehreren "Merzbow-Marathons" dar, vor allem in Frankreich und den USA, bei denen ohne Unterbrechung tage-, ja wochenlang, Merzbow gespielt wurde.

Seit der Jahrtausendwende hat Akita bei der Erzeugung und Bearbeitung verschiedener musikalischer Schleifen immer stärker den Computer eingesetzt. Mehrere seiner Alben sind ausserdem verschiedenen Tierschutzorganisationen wie Frog, Peace for Animals und Animal Magnetism gewidmet, für die er das Gackern des Huhns aufnahm, das er zu jener Zeit aufzog. "Merzbeat" war dem berühmten Seeelefanten Minazo im Enoshima Aquarium gewidmet, dem letzten noch in Japan lebenden männlichen Vertreter seiner Gattung, während "Minazo Vol.1" und "Minazo Vol.2" eine Art Nachruf an das Tier darstellten, das 2005 starb. Das rührende Artwork, das von Akitas zweiter Frau Jenny stammte, stellte einen Seeelefanten dar, der mit seinem Eimer spielt. "Bloody Sea" schließlich war ein Aufruf gegen den stark umstrittenen Walfang in Japan.

Einige der Konzeptalben aus dieser Periode waren etwas zugänglicher, wie das bereits erwähnte "Merzbeat", dessen rhythmischer Ansatz ihm eine Art "Pop"-Feeling verleiht, "Aqua Necromancer", das Aufnahmen von Progressive Rock Sessions enthielt, oder "Door Open at 8 am", das eine Huldigung an den Jazz darstellte.

Außerdem nahm er mehrere Alben mit der Band Boris auf und arbeitete darüber hinaus mit Keiji Haino, mit dem er das Projekt Kikuri gründete. 2008 kollaborierte er mit dem französischen Musiker und Autoren Richard Pinhas, mit dem er mehrere Konzerte in Europa gab.
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