MONO live in Dresden

Ungewöhnlich nass ist es am 18. Dezember 2014. Doch sonst ist die Stimmung, wie bei jedem Konzert dieser Band, die völlig ohne stimmliche Qualitäten zu begeistern weiß, gleich. Das gemächlich eintreffende Publikum könnte nicht unterschiedlicher sein. Hier treffen sich überzeugte Gothen mit Lehrern der eigenen Schule, stehen bärtige Metaller neben hippen Studenten und haben ein so unterschiedliches Alter, dass es schwer vorzustellen ist, was sie alle vereint. Außer der Ruhe, die hier jeder Einzelne ausstrahlt, ist es die Verbundenheit zur Musik, die hier gleich zu Melancholie und Euphorie führen wird.

Doch vorher begegnet uns eine einzelne Dame auf der schlicht gehaltenen Bühne. Sie spielt gezielt mit den übersteuerten Klängen ihres Kontrabass‘. Verbindet diese, in Loops gefangenen Phrasen, mit einem eingespielten Schlagzeug und mag mich nicht recht in ihren Bann ziehen. Es wirkt unharmonisch und irgendwie rau. Aber vielleicht habe ich auch einfach nur keinen Sinn, für diese Art von Kunst.

Der BEATPOL bietet mit seinem schönen Ambiente wieder einen hervorragenden Austragungsort. Die Decke ist gerade so hoch, dass man den Stuck in der sachten Beleuchtung sehen kann und vermittelt ein Gefühl der Empfangshalle eines älteren Herrenhauses. Hier werden heute wieder Geschichten geschrieben, denke ich mir.
21:50 Uhr ist es so weit. MONO betreten unter ruhigem Beifall die Bühne. Es gibt keine Jubelstürme oder Schreie. Das ist Respekt. Eine Achtung der Künstler und ihrer Arbeit. Eine Band, die mit minimalistischen visuellem Auftreten, ausschließlich durch das Wecken von Emotionen, ihren Lives von Jeher eine ungeheure Tiefe verleiht. Die charakteristisch gesenkten Köpfe der beiden Gitarristen Yoda und Taka, die entzückende Bassistin Tamaki und der Ausnahmedrummer Takada beschreiben schlicht die zu erwartende Bühnenperformance.

"Recoil, Ignite" eröffnet sich mit Gitarrenklängen und dem Drumset, dass man meint, es möge einen in Trance wiegen. Erst nach 5 Minuten wird der Rhythmus intensiver und drängt pulsartig nach vorn. Die Drums werden energischer, der Bass düsterer und die Gitarren wirren sich ineinander. Der erste Song schreibt 13 Minuten des Konzertes auf seine eigene Uhr. Ein wunderbarer Auftakt für die weitere Reise. Als hätte man seine Sachen gepackt und wäre zielsicher einem Rufen gefolgt.

Die Bühne hüllt sich in ein rotes Scheinwerferlicht. Tamaki setzt sich an das Keyboard und eröffnet zusammen mit ganz sacht gespielten Gitarrensaiten den Song "Unseen Harbor". So ruhig wie dieser Titel beginnt, ist jeder überrascht und begeistert über die Energie die er frei setzt. Aus den vorerst ruhigen Kopfbewegungen entfacht ein wahres Feuer der Hingabe, als Tamaki ihren Bass wieder zu spielen beginnt. Ich spüre Hoffnung, weiß aber nicht für was. Das ist die Musik von MONO wie sie mir am liebsten ist. Sie weckt längst verstaubte Gefühle, die man im täglichen Leben kaum so intensiv zu spüren bekommt und vergessen hat, wie sie sich anfühlen. Ich schaue mir das Publikum an. Bei Einem sehe ich jetzt schon Tränen und ein Lächeln... Ich selbst bin froh wieder hier zu sein und schließe meine Augen. Lass mich entführen. Es ist eine unheimlich schöne Melodie, die von Noise Klängen der Gitarren begleitet wird und in einem herausragenden Zusammenspiel der Drums und des Bass‘ getragen.

Mit "Kanata" folgt ein fast schon kurzes Zwischenspiel und stellt den kürzesten Song der Setlist dar. Nichtsdestotrotz strahlt auch dieser Titel seinen ganz eigenen heroischen Charme aus. Tamaki tauscht ihren Bass abermals kurz gegen das Keyboard und die Bühne färbt sich in wärmende Gelbtöne. Die beiden Gitarren scheinen vertraut zu flüstern und ein kurzes Lächeln huscht jedem über die Lippen bei dem Anblick, der tief geneigten Köpfe von Yoda und Taka. Die Gestik von Taka ist bei seinem Spiel so inbrünstig, dass man meint, er würde mit der Musik sprechen. Vielleicht tut er das auch. Vielleicht kommunizieren aber auch alle Bandmembers über und durch die Musik. Nein, ich bin mir sicher. Es folgt ein beeindruckender Beifall. Dieser Song scheint gerade durch seine "Kürze" das Publikum mitgerissen zu haben.

Keine Worte, keine weitere Kommunikation mit ihren Gästen. Musik! Die Bühne wird in violettes Licht getaucht. Ein älterer Herr wiegt sich, mit einer stark jüngeren Dame an dessen Schulter von "Pure as Snow" und mir wird wieder klar, dass MONO eine bestehende Größe sind, Grenzen zu überwinden. Dieser Song mündet in einem Blitzlichtgewitter, der in der Bühnenpräsenz wie violetter Regen erscheint. Spätestens jetzt ist jeder ein Teil dieses Abends, der die Hingabe dieser Band zur Musik vereint. Nach den dramatisch anmutenden 12 Minuten dieses Songs folgt ein wahrer Jubelsturm. Es wird zum ersten Mal richtig geräuschvoller Beifall geliefert, der nicht zu enden scheinen möchte.

Es folgt einer der innigsten Momente zwischen Publikum und Band. "halcyon" weckt in mir stets ruhige Erinnerung der Heimat. An Freunde, Verwandte und verlorene Bekannte. So ähnlich scheint es auch anderen zu gehen. Die ruhigen Töne lassen fast jeden verharren, die Augen schließen und genießen. Es sind 9 Minuten der absoluten Vertrautheit. Die beruhigende Atmosphäre hüllt sich um jeden Einzelnen und hypnotisiert lauscht jeder der Musik seiner eigenen Erinnerungen. Bis sich dieser Song in einer Energie entlädt, dass man seinen Gedanken Taten folgen lassen möchte. Ein Aufbruch der niemals stattfand.

Es vergeht nie viel Zeit zwischen den einzelnen Titeln. Die bedarf es auch nicht. Der Durst nach mehr ist Jedem deutlich anzumerken. Und so möchten wohl die Wenigsten, dass dieser Abend überhaupt endet.

"Where We Begin" lässt die Bühne in türkisem Licht strahlen und ich entdecke ein Pärchen, das sich innig in den Armen liegt. Die Augen geschlossen, keinen Fuß bewegend, sind sie dennoch voller Bewegung. Ob sie in gemeinsamen Erinnerungen forschen, oder sich gerade schweigend etwas mitzuteilen haben, weiß ich nicht. Warum scheint an einem Abend mit MONO der Kopf so klar, wenn er sich doch bemüht, die vorbeiziehenden Bilder zu ordnen?

Was 2009 schon als Eröffnung des Albums "Hymn To The Immortal Wind" total mitgenommen hat, wird an dieser Stelle zum besten Song des Abends. Tamaki, anfänglich an dem Xylophon, stimmt mit kurz angeschlagenen Gitarrensaiten auf den brillanten Song "Ashes in the Snow" ein. Ich bekomme Gänsehaut bei jeder einzelnen Berührung der Hi-Hat von Takada. Für mich erzählen die Instrumente aufeinander abgestimmt eine Geschichte von Befreiung der Zurückhaltung. Die Szenen in meinem Kopf überschreiben sich sekündlich. Ich schließe meine Augen und lasse mich, wie viele an diesem Abend im BEATPOL, von MONO einfach mitnehmen. Beim treibendem einsetzen der Drums öffne ich meine Augen wieder, sehe Takada in Schweiß badend und versinke wieder in blinden, rhythmischen Kopfbewegungen. Neben "Yearning" stellt "Ashes in the Snow" einen absoluten Meilenstein für das Feeling eines Livekonzertes von MONO dar.

Der letzte Titel des Abends kleidet sich in wechselnd rotem und blauem Licht und wird abermals mit Tamaki am Keyboard eingeleitet. Ebenfalls ein herrliches Musikstück des 2009 erschienen Albums. Es ist nicht nur der letzte Song dieses Konzertes. Es ist der letzte ihrer Europa Tour 2014. Und genau dieser wird hingebungsvoll präsentiert. Während "Everlasting Light" schauen sich alle Bandmitglieder immer mal wieder an. Lächeln kurz und tauchen wieder in ihre Musik ein. Ein sehr schöner abschließender Song nicht nur für diesen Abend.

Was ein Anderer denken mag, kann ich nicht beurteilen. So ist das mit MONO nun mal. Eine Menge Raum für die eigenen Gedanken voller Emotionen. Keine Kostüme oder imposantes Bühnenbild, keine ausufernde Show, oder Anheizen des Publikums. Männer in T-Shirts und eine stilvoll gekleidete Dame machen ihre Musik und wir dürfen dabei sein. Und wer diesen Post Rock Stil nicht hören kann, wäre auf einem Konzert ohnehin falsch aufgehoben. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich auch bei diesem Konzert keine enttäuschten Gesichter sehen konnte. Selbst meine Begleitung war sichtlich angenehm überrascht, über ihren ersten Kontakt mit MONO. Dennoch hätte ich mich sehr über "Yearning" als Zugabe gefreut, um wenigstens die 100 Minuten voll zu bekommen. Aber ein Ticket hat ja nicht mal 20€ gekostet. Von daher will ich mich mal nicht beschweren. Und so bleibt nur zu hoffen, dass uns diese Band noch lange derartige Abende schenken wird.


SETLIST

01. Recoil, Ignite
02. Unseen Harbor
03. Kanata
04. Pure as Snow
05. Halcyon
06. Where We Begin
07. Ashes in the Snow
08. Everlasting Light