Review

DIR EN GREY - ARCHE

21/01/2015 2015-01-21 08:00:00 JaME Autor: Visual Noise

DIR EN GREY - ARCHE

Nach drei Jahren endlich wieder ein eigenständiges Album voll mit neuen Songs!


© 2014 sun-krad Co., Ltd. Provided by Okami Records.
Album CD

ARCHE [European Edition]

DIR EN GREY

Künstler: DIR EN GREY
Titel: ARCHE
Typ: Album
Stil: Progressive Metal
Veröffentlichung: 06.02.2015


Tracklist (Wertung von 1 – 5 Sternen):
1. Un deux ****
2. Soshaku / 咀嚼 ***
3. Uroko / 鱗 ****
4. Phenomenon *****
5. Cause of fickleness ***
6. Tousei / 濤声 ****
7. RINKAKU / 輪郭 ****
8. Chain repulsion *****
9. Midwife ****
10. Magayasou / 禍夜想 ***
11. Kaishun / 懐春 ****
12. Behind a vacant image ****
13. Sustain the UNtruth ****
14. Kukoku no kyouon / 空谷の跫音 *****
15. The Inferno ****
16. Revelation of Mankind ***


Okami Records gewährt uns schon vor der CD-Veröffentlichung in Deutschland einen Blick auf das aktuelle DIR EN GREY Album "ARCHE". Immerhin liegt das zuletzt veröffentlichte eigenständige Album der Band drei Jahre zurück. Und dann musste auch noch das CD-Release im deutschsprachigen Raum verschoben werden. Am 6. Februar 2015 ist es aber endlich so weit: "ARCHE" erscheint auch hierzulande.

Stolze 16 Titel beherbergt das Album und beginnt sogar mit einem ganz guten. "Un deux" ist ein richtig typischer DIR EN GREY Song - schön knackig und kompakt. Ein treibender Beat, ein nettes Gitarrensolo und ein anmutiger Refrain fügen sich zum stilistischen Sound der Gruppe. Leider geht es mit "Soshaku / 咀嚼" nicht so ansprechend weiter. Trotz eines wirklich netten Gitarrenriffs plätschert dieser Song leider vor sich hin. Er hat keine richtige Energie, keine Kraft und dudelt damit vor sich hin. Ein deutlicher Tempowechsel hätte "Soshaku / 咀嚼" gut getan, auch wenn man dem Mittelteil einen Ansatz von Charme zusprechen muss, der aber lediglich Kyos Stimme zu verdanken ist.

Mit "Uroko / 鱗" nimmt (die) "ARCHE" dann wieder deutlich Fahrt auf. Bei diesem Upbeat-Song lassen sich nicht nur herrliche Riffs genießen, sondern vor allem Kyos fabelhafte stimmliche Charaktere. Von seiner hohen Kopfstimme, den klassischen Pig Squeals, zu dem für Kyo so typischen Kreischen ist hier alles zu finden. Dazu gibt es noch einen satten Refrain und vergessen ist der vorangegangene langweilige Titel. "Phenomenon" setzt sogar noch einen drauf und kreiert einen unheimlichen Gruselsoundtrack. Er schafft es auch als erster Titel von "ARCHE" eine richtige Atmosphäre zu erzeugen. Herausragend ist natürlich wieder Kyos Stimmakrobatik. Doch auch musikalisch halte ich diesen Song durch seinen simplen Aufbau für wahrlich kreativ. Es muss ja nicht immer unnötig kompliziert sein. Oder so eigenartig wie beim nächsten Lied "Cause of Fickleness". Der Songaufbau ist hier einfach nur schräg. Er beinhaltet so viele Tempowechsel, dass es einem schwer fällt sich darauf einzulassen. Dennoch könnte dieser Song gerade beim Livepublikum zum Liebling avancieren, da er eine Menge Potential zum Grölen besitzt.

Der netten Rockballade "Tousei / 濤声" fehlt es nicht an Intensität und rückt endlich deutlich Toshiyas Basslinien in den Vordergrund. Nur die kleinen Glockenschläge im letzten Drittel des Songs erscheinen unnötig, da sie im weiteren Verlauf nicht mehr aufgegriffen werden. "RINKAKU / 輪郭" kennen die Fans bereits aus der Single-Auskopplung. Der Song beginnt wirklich stark mit Keyboardklängen und einem aggressiven Gitarrensound, der Klang von Kyos hoher Stimme ist dabei wirklich herrlich. Und auch die Akustikgitarre in der Mitte des Titels passt wunderbar in das Konzept.

An dieser Stelle von "ARCHE" wird nochmal angezogen. "Chain Repulsion" ist ein saugeiler Titel, um es ganz salopp auszudrücken. Es macht unheimlich Spaß, dem dynamischen Zusammenspiel aller Komponenten von DIR EN GREY zu lauschen. Leider ist dieser Song nach nicht mal drei Minuten schon viel zu schnell vorbei. Der nächste Titel "Midwife" entwickelt sich zur berühmten Kyo Show. Dort wird wieder gekrächzt und gekreischt, was das Zeug hält. Dazu hämmern begleitend die Drums.

Es folgen "Magayasou / 禍夜想" und "Kaishun / 懐春", wobei "Kaishun / 懐春" der definitiv bessere Song von beiden ist, auch wenn er nicht so musikalisch brutal daher kommt. "Behind a Vacant Image" setzt zwar auch sacht an, entwickelt sich aber zum kurzweiligen Brecher. Der einmalige kurze Abstecher in härtere Gefilde steht diesem Song wirklich gut und macht ihn damit viel dynamischer als seine beiden Vorgänger. "Sustain the UNtruth" ist ebenfalls aus einer Single-Auskopplung bekannt, überzeugt aber an dieser Stelle auf "ARCHE" genau wie auf der gleichnamigen Single. Wieder einmal ein klasse Refrain, schöne Melodien und typische Hochglanztechniken an allen Instrumenten.

Das lange Intro zu "Kukoku no kyouon / 空谷の跫音" macht sich wirklich bezahlt. Ein wunderschöner Song. Überhaupt überzeugen DIR EN GREY zusehends in ihren ruhigeren Liedern. Es gibt sogar eine Stelle, an der lediglich der Rhythmus der Drums zu hören ist, nur die verzerrte Gitarre rauscht im Hintergrund – herrlich! Man fühlt sich an "embryo", meiner Meinung nach DIR EN GREYs zweitbeste Ballade seit Bestehen der Band, erinnert. Natürlich hinkt der Vergleich mit diesem zeitlosen Klassiker, aber "Kukoku no kyouon / 空谷の跫音" ist ein wirklich richtig guter Song.

Bei "The Inferno" ist der Titel Programm. Die Instrumente scheinen zu brennen. Es wird heftig geschrammelt und gehämmert. In der Manier von "朔 -saku-" wird hier geschrien, dabei kommt der Song aber gänzlich ohne merklichen Gesangspart aus. Die Message scheint einfach – "The Inferno". Der letzte Titel bestätigt den anfänglichen Verdacht, dass sich DIR EN GREY nun wohl immer weiter von eingängigen Melodien verabschieden werden. "Revelation of Mankind" reiht wieder verschiedene stilistische Parts aneinander. Das ist natürlich nicht schlecht, aber "ARCHE" ist kein Album für zwischendurch. Das möchte es wahrscheinlich auch gar nicht sein.


FAZIT: Die zum Teil komplexen Kompositionen verlangen vom Hörer viel Aufmerksamkeit. Ansonsten sind sie schnell aus dem Kopf verschwunden und man fragt sich immer wieder „Habe ich das schon gehört oder nicht?“. Wer sich allerdings die Zeit nimmt – und ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Fans dies tun werden –, entdeckt ein paar unheimlich brillante Songs. Diese sind zwar meist in der ruhigeren Lage, aber nicht weniger vor Energie strotzend. Ich bin also alles andere als enttäuscht, aber durch die fehlende Eingängigkeit der Songs etwas gefordert worden. "ARCHE" lohnt sich definitiv, doch langjährigen DIR EN GREY-Fans könnte dieser aktuelle Stil vielleicht etwas zu lakonisch erscheinen. Das bestätigt sich in meinen Augen nicht: Dieses Album ist hochgradig vielschichtig und professionell inszeniert. Und kommt mit wenigen Abzügen, selbst nach über 15 Jahren Bandgeschichte, immer noch frisch daher. Der europäischen CD liegt im Übrigen noch eine zweite bei, die drei Lieder von "ARCHE" in anderen Versionen präsentiert.
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