lynch. - AVANTGARDE
Und jährlich grüßt das Murmeltier: Kein Jahr vergeht, ohne dass lynch. uns mit einem weiteren Album beglücken. Doch hält AVANTGARDE auch, was sein Titel verspricht?
Künstler: lynch.
Titel: AVANTGARDE
Typ: Album
Stil: Nagoya Kei
Veröffentlichung: 14.09.2016
Wertung: 7 / 10
Tracklist:
1. AVANT GARDE
2. EVIDENCE
3. PLEDGE
4. F.A.K.E.
5. DAMNED
6. UNELMA
7. PHANTOM
8. KILLING CULT
9. PRAYER
10. NEEDLEZ
11. THE OUTRAGE SEXUALITY
12. FAREWELL
Was ist eigentlich Avantgarde? Laut lynch.-Sänger Hazuki bedeutet das aus dem Französischen stammende Wort nichts Geringeres als „neue und unübliche oder experimentelle Ideen, vor allem in der Kunst“. Unüblich? Experimentell? Der ein oder andere alteingesessene lynch.-Fan dürfte beim Klang dieser Worte sicherlich die Augenbraue heben, schließlich ist das Quintett aus Nagoya in den letzten Jahren nicht zwangsläufig durch Innovationsfreudigkeit aufgefallen. Vielmehr hat man sich darauf beschränkt den eigenen Trademark-Sound zu verfeinern und Jahr für Jahr ordentliche Alben zu produzieren. Deswegen gibt es nun einen Einblick in die neue Platte aus dem Hause lynch. . Ob das Album hält, was der Titel verspricht? "AVANTGARDE" ist, dank des europäischen Labels Okami Records, seit dem 14. September weltweit (mit Ausnahme von Asien) als digitaler Download verfügbar und bekommt am 7. Oktober auch noch eine physische Edition spendiert.
Gleich zu Beginn die schlechte Nachricht für alle Liebhaber des Expressionismus: Avantgarde ist zunächst allerhöchstens das gleichnamige Intro. Stattdessen liefern lynch. einmal mehr gewohnte Kost ab und das bedeutet Nagoya Kei in Perfektion. Schon der brutale Break Down zu Beginn des Openers "EVIDENCE" lässt einen wohligen Schauer über den Körper des gepflegten Metalhead wandern und liefert den Beweis, warum lynch. ganz oben in ihrer Zunft stehen. Wild, unberechenbar und mit einem richtigen Ohrwurm-Refrain ausgestattet, ist der Song die perfekte Eröffnung und steht sinnbildlich für die erste Hälfte des Albums. Denn solange lynch. unberechenbar und abwechslungsreich bleiben, geht das Konzept ihrer Musik voll auf.
So findet sich gleich zu Beginn mit dem Metalcore-Einflüsse aufweisenden "F.A.K.E." einer der besten Songs des Albums wieder, der nicht nur mit einem plötzlichen Bass-Solo überraschen kann, sondern immer wieder nach Belieben seine Struktur ändert, nur um plötzlich wieder im eingängigen Refrain zu explodieren. Glücklicherweise hat die Scheibe auch einen angenehm fetten Sound verpasst bekommen, sodass man bei "F.A.K.E." und Konsorten ordentlich in Wallung gerät. Allerdings geht Bassist Akinori im Mix, mit Ausnahme des eben angesprochenen Solo, vollkommen unter. Hier hätte ein Tick mehr Feintuning nicht geschadet. Bei all der Härte setzen Lieder wie das radiotaugliche "PLEDGE" oder die düstere Ballade "PHANTOM" wohltuend ruhige Akzente, die für die nötige Auflockerung sorgen. Absolutes Highlight ist aber der gefühlvolle Midtempo-Rocker "UNELMA", der vielleicht musikalisch nicht sonderlich neu klingt, aber ein für lynch. ungewöhnlich leichtes Feeling vermittelt und zum Träumen einlädt. Übrigens, für alle die sich wundern: Der ungewöhnliche Songtitel ist keineswegs eine Neuschöpfung der Band, sondern das finnische Wort für „Traum“. So kann man „Avantgarde“ natürlich auch auslegen.
Problematisch wird es, sobald die Songs zu berechenbar werden und genau das passiert in der zweiten Hälfte des Albums. "KILLING CULT" und "PRAYER" wirken wie die klassischen Füller-Tracks. Langweilige Riffs, die klingen, als hätte man sie schon zig mal gehört, wechseln sich ab mit uninteressanten Hooks, sodass die Songs kaum im Gedächtnis haften bleiben und eine gewisse Monotonie entwickeln. Sinnbildlich für diese plötzliche Einfallslosigkeit ist, dass in drei Songs hintereinander (namentlich "PRAYER", "NEEDLEZ" und "THE OUTRAGE SEXUALITY") jeweils Riffs mit einem von Sänger Hazuki geschrienem „GO!“ eingeleitet werden. Schade, denn gerade "NEEDLEZ" besitzt einigen coole Gesangslinien, während "THE OUTRAGE SEXUALITY" live sicher ein wahres Biest darstellt. So aber wirken die Songs leider nur völlig belanglos und unfertig, als hätte man vergessen, ihnen den eigenen Stempel aufzudrücken.
Vor allem macht es aber deutlich, dass lynch. nicht der Weisheit letzter Schluss sind, was die musikalische Handwerksfertigkeit anbelangt, sondern auf der ganzen Platte eher soliden Durchschnitt abliefern. Das ist nicht unbedingt etwas Negatives, denn mit der nötigen Experimentierfreudigkeit und einem Sänger von der Qualität Hizukis kann das wirklich richtig gut klingen, wie man am abschließenden "FAREWELL" sehen kann. Düster und nachdenklich beendet das Lied das Album und lässt dieses dabei wie eine im Nebel der Zeit verschwindende Erinnerung erscheinen. Ein toller Abschluss für "AVANTGARDE", denn hier wird der Name endlich einmal für voll genommen und experimentiert. In Zukunft gerne mehr davon!
Fazit: lynch. zeigen auf der neuen Scheibe, dass sie es auch nach zwölf Jahren immer noch nicht verlernt haben, tolle und fetzige Songs zu schreiben. Gerade in der ersten halben Stunde begeistert die CD mit viel Härte, Abwechslung und wirklich gelungen Melodien. Nach der grandiosen Ballade "PHANTOM" geht den fünf Nagoya-Kei-Helden allerdings etwas die Puste aus, sodass aus einem anfangs sehr guten Album eine gerade noch überdurchschnittliche Scheibe wird. Fans der Band dürfte diese aber trotzdem rundum zufrieden stellen, denn alleine die ersten sieben Songs rechtfertigen den Kauf allemal. Bei mir jedenfalls wird die Platte noch eine ganze Weile im Player ihre Runden drehen! Wie es nun um den Zusammenhang von Albumtitel und Inhalt steht, ist mir nicht ganz klar... Aber es gibt eben Dinge, die wollen einfach ein Geheimnis bleiben.