Review

MUCC - Gokusai

07/12/2006 2006-12-07 12:00:00 JaME Autor: Caveras

MUCC - Gokusai

Nicht verwirren lassen vom folkrockigen, pathetischen Rave Circus, den die vier gestandenen J-Rocker von MUCC zu Beginn auffahren - Gokusai gehört zu den hervorstechendsten Alben des Jahres und setzt die Messlatte erneut ein Stückchen höher. Nicht mit dem Rave Circus, aber dafür mit den folgenden 13 Tracks. Das Spektrum ist breit gefiltert, was die vier Vorabsingles Gerbera, Ryuusei, Utagoe und Horizont nicht undezent angedeutet haben.

Schon der Titeltrack Gokusai schlägt direkt eine angenehmere, härtere Richtung ein und versüßt den Auftakt der Platte sofort mit angenehm schroffen Bassparts und einem furiosen, sich geradezu ins Extreme steigernden Tatsurou. Der Frontmann klingt hier ähnlich emotional wie auf dem Opener des 6-Mini-Albums, Kuukyo na heya, ebenfalls ein Track, der den Sänger der Band ungewohnt aggressiv und gefühlvoll zeigt und der manchmal geradezu ausbricht. Gokusai ist definitiv ein absolutes Highlight, und das bereits so früh, wo soll das nur hinführen?

Nageki no kane besticht durch einen frivolen Wechsel zwischen melodischen und verspielten Parts, ehe ein ruppiger Refrain den Zuhörer direkt mit auf Tatsurous Trip nimmt und brutale Riffs Metallica-like einsetzen. Großartig bis zum brennenden Finale und vor allem weitaus spannender als der folgende Track, Utagoe. Die vorletzte Single ist ein heiterer, fröhlicher Poprock-Titel mit Mitgröhlrefrain und beschwingtem Instrumental, der aber eher belanglos durch die Gegend rockt. Gekkou kommt ähnlich traditionell im Rhythmus wie Gerbera daher, wirkt aber nicht halb so ausgeklügelt. Zwar stimmen Melodie und Finale, doch ansonsten ist Gekkou ein eher zäher Vertreter des typischen MUCC-Songbauschemas.

Etwas lethargisch und zurückhaltend wirkt auch Panorama, dessen Titel schon in etwa die harmlose Sentimentalität erahnen lässt. Dennoch hat der Song ein paar schöne Momente und ist ein passender "Dämpfer" vor dem folgenden Track. Gerbera, eine ältere Single, bekam ein schönes Intro spendiert und ist nach wie vor hin- und hergerissen zwischen grandioser Melodie, luftigem Folkrock und einigen verdorbenen Momenten, dennoch hat der Song längst das Herz der Fans erobert. Risky Drive ist dann eines der ungewöhnlicheren Stücke und wirkt mit seinen reißerischen Dialogen und dem abgefahrenen Instrumental wie eine Trashrock-Version von Gackts Dybbuk. Außerdem steigert sich der knapp drei Minuten kurze Track geradezu in Rage, was das Ganze um so spannender macht. Seltsam bleibt er trotzdem.

Kinsenka schlägt dann wieder eine ernsthaftere Richtung ein und legt behutsam los mit zurückhaltenden Gitarren, dominantem Bass und einer langsam einsetzenden, lockeren Melodie. In der Mitte leitet ein längeres Instrumentalsolo den Refrain ein, der zunehmend an Intensität gewinnt. Nicht zuletzt wegen der eigenwilligen Samples und Synthies ist Kinsenka ein besonders interessanter Titel auf Gokusai. D.O.G. folgt auf den Fuß und ist ein schneller, schroffer Upbeat-Rocker, auf welchem Tatsurou ein wenig mit seiner Stimme spielt und man manchmal schon fast Angst bekommt. Dank des voluminösen Instrumentals ebenfalls ein gelungener Track, der live seine besten Abende erleben wird.

Nijuugoji no yuuutsu (Zungenbrecher?) beginnt fast schon wie ein Radiohead-Intro und überrascht mit spacigen Gitarren. Doch dann klingt sogar Tatsurou einen Moment lang wie Thom Yorke und man wundert sich, wo man denn hier gelandet ist. MUCC auf psychedelischen Drogen? Da spielen auch ganz plötzlich die altbekannten Jazz-/Funk-Interludes alter MUCC-Sachen dazwischen und machen aus dem ganzen eine einzige Farce. Und am Schluss wiegen uns die inzwischen ganz fern klingenden Stimmen beinahe in den Schlaf. Was auch immer zu Nijuugoji no yuuutsu geführt hat - es klingt gut und interessant! Mehr davon, bitte.

Das letzte Drittel bietet nicht mehr viel Neues, kennen wir doch zum Beispiel schon den nächsten Track, Horizont. Die wohl poppigste der vier Vorabsingles kommt hier nicht gerade wie ein Segen, unterbricht sie doch den ganzen Innovationsfluss mit ihrer harmlosen, leiernden Standardmelodie. Viel schlimmer wird es dann noch eben bei Yasashii uta, einem in der Tat "netten Liedchen", mehr aber auch beim besten Willen nicht. Erst LSD, und nun der Chillout mit vernebelten Simpel-"Lalala"-Chören? Also nein, das geht doch mal gar nicht. Da rettet auch die Mundharmonika nur wenig, Yasashii uta ist der wohl unnötigste Song der ganzen Scheibe und lässt mich zweifelnd eine Augenbraue heben.
Zum Glück steht aber mit Ryuusei noch die beste MUCC-Single seit Jahren sowie der wohl beste Track des Albums an. Der zauberhafte, mitreißende Song glänzt durch die dahinschweifende Melodie, Tatsurous gefühlvollen Gesang, den brillanten Refrain und das rührende, emotionale Finale. Die Rockballade gehört zu MUCCs großartigsten Stücken, genau wie das ganze Album zu ihren herrlichsten Veröffentlichungen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist Gokusai MUCCs größtes Ding der letzten drei Jahre. Vielseitig, einfallsreich, emotional und für jede Stimmung zu empfehlen, mit einigen absoluten Highlights gespickt und je nach Version mit interessanten Dreingaben.

Bei den ganzen Bonus-CDs inklusive LIVE BOOTLEG #1-3-DVDs und was weiß ich noch alles der verschiedenen Varianten blicke ich selbst zwar nur annähernd durch, aber die reguläre Edition bietet wie schon das Vorgängeralbum Houyoku eine Bonus-CD mit einem Exklusivtrack und einem Remix. G.M.C heißt der exklusive Lauschbonus für die Käufer der regulären Variante und erinnert zum einen an den Houyoku-Bonus Shadan, zum anderen an Metallicas St. Anger. Dass dies kein Unding ist, beweist G.M.C eindrucksvoll - der Song macht in Sachen Schrammel und gequältem Gekreische fast schon Dir en greys neuesten Eskapaden Konkurrenz.

Der andere Bonustrack ist Gerbera in der surf version, mit welchem die Band glatt auf einen Quentin Tarantino-Soundtrack passen würde. Der schnellere, hellere und fragwürdig ernstgemeinte Remix ist eine nette Spielerei am Schluss, die den Hörer nochmals optimistisch stimmt, das Album direkt noch einmal durchlaufen zu lassen. Gokusai ist großartig und definitiv der Pflichtkauf des Winters!

Wertung: 4,5 von 5

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