Ein ausführlicher Konzertbericht von Merrys gelungenem Auftritt am 1. Dezember in der Münchener Georg-Elser-Halle
Glücklicherweise haben Merry ihre Drohung gegenüber einem deutschen Anime Magazin, in dem sie verkündeten, erst nach Europa zu kommen wenn der Visual Kei Hype vorrüber ist, nicht wahr gemacht, denn im Oktober diesen Jahres kündigten sich die Jungs für ein Konzert am 01.12.2006 in der münchner Georg-Elser-Halle an und natürlich waren wir am Tag X mit von der Partie.
Aber bevor es zum Konzert ging hatten wir von JaME auch noch die Möglichkeit ein paar persönliche Worte mit der symphatischen Tuppe zu wechseln und wenn ihr wissen wollt wie Übersetzungsfehler zu spontanem Sex führen und warum Oliver Kahn so beliebt bei Merry ist, solltet ihr euch das Interview demnächst auf keinen Fall entgehen lassen.
Aber züruck zum eigentlichen Event des Tages. Gegen 18:00 Uhr hatte sich schon ein recht bunt gemischtes Völkchen vor der kleinen Georg-Elser-Halle eingefunden und ziemlich genau um 18:30 wurden dann die Pforten geöffnet und die Location gestürmt.
Schnell wurde noch der Merchandise Stand, an dem es teilweise recht lustige Goodies zu kaufen gab (Merry-Trading-Cards), ausgecheckt und ab ging es in die Halle welche mit einer Besucherzahl von 450 Leuten ein bischen mehr als halbvoll wahr.
Mit dem Intro ihres aktuellen Longplayers Peep Show wurde die Show dann auch um 20:00 Uhr eingeläuted und die Band kam, in den für Merry stilistischen Anzügen, auf die Bühne. Gara, eines Zeichens Sänger der Kapelle, hielt eine Zettel hoch auf dem die Frage: Are you ready to Merry? stand, was auch umgehend vom Publikum mit bestätigendem Jubel quittiert wurde.
Das Set begann mit dem leider recht kurzen Song Kyousou Carnival, der aber von vorneherein klarmachte, dass hier geklotzt und nicht gekleckert wird. Frontmann Gara ging vom ersten Moment an tierisch ab und legte eine Punkrock Manier an den Tag, die fast schon den Ikonen dieses Genres Konkurenz machte.
Auch Aktionen wie: Ich lass jetzt den Reisverschluss meiner Hose eine Etage tiefer wandern und fädel mein Mikrophon unter dem Hosenbund und durch die nun offene Stelle meiner Hose durch und sing dann so weiter, die wohl bei jedem Anderen albern und überzogen gewirkt hätten kamen so natürlich und glaubwürdig als sei es das Normalste der Welt.
Das erste Set bestand durchweg aus Songs der letzten beiden Studioalben, wobei die beiden Instrumentale Peep o-> Hole und Peep o+ Hole der letzteren Veröffentlichung perfekt als Erholungspause für Band und Publikum eingesetzt wurden.
Durch ein körperliches Defizit war ich gezwungen, mir das Konzert von recht weit hinten anzusehen, was mir aber irgendwie einige Twilight Zone Momente einbrachte, denn das was da auf der Bühne abging stand für mich zeitweise in keinem Zusammenhang mit der Reaktion des Publikums. Da wurde doch tatsächlich mit Knicklichtern gewedelt und die Laute die aus einigen der anwesenden weiblichen Fans drangen, hörte sich verdächig nach dem mittlerweile allseits bekannten Tokio-Hotel-Fangesang an. Das Ganze in Verbindung mit dem hüpfenden Ska-Riff von Dekai no Suisou oder dem groovigen Nisemono Tengoku das in bester Rockabilly Manier daherkam war dann doch eine etwas verstörende Erfahrung. Im Nachhinein wollten mir dann Leute tatsächlich erzählen, dass es in Japan nicht Sitte sei, ausgelassen zu tanzen, zu moshen oder zu pogen, was ja irgendwo plausibel wäre, wäre da nicht doch eine ca. 5 Quadratmeter grosse Moshpit mit ca. 15 Leuten gewesen von denen dann aber mindestens 3 Japanerinnen waren. Aber was weiss ich schon von den Gebräuchen und Sitten japanischer Konzerte.
Aber wieder zurück zu den Geschehnissen auf der Bühne. Nach der ersten Hälfte des Gigs gabs auch die erste Ansage. Begleitet von traditionellen japanischen Klängen pinselte Gara die Worte, die er dem Publikum mitteilen wollte mit Tusche auf Papier anstatt sie schnöde auszusprechen:
ハロー! (Hallo)
Merryです (Wir sind Merry)
ROCKT DIE SCHEISSE FETT!
Go crazy!
Und diese langjährige und beliebte merrysche Tradition der Kalligraphie traf auch hierzulande auf frenetischen Jubel. Anschließend wurde die Tusche vom Frontmann vertilgt (bitte nicht nachmachen!) und weiter gings zum härteren Teil des Gigs. Mit einem in die länge gezogenen PLTC taute auch das Publikum etwas mehr auf und zu den Knicklichtern gesellten sich auch zusehends ausgestreckte, die Metaller-Mistgabel , formende Hände. Der darauf folgende Klassiker Japanese Modernist lud auch den Großteil mal dazu ein richtig laut mitzugröhlen. Nach drei weiteren Songs gingen Merry erst mal von der Bühne und ließen die johlende Meute ein bisschen nach einer Zugabe rufen.
Der Eindruck, denn ich während der Show von Merry als Band hatte, muss ich schlichtweg als umwerfend beschreiben. Kenichi rockte mit vollem Körper- und Gitarreneinsatz und Tetsu versetzte mich regelmäßig mit abgefahrenen Bassläufen in Erstaunen. Yuu konnte ich zwar von meinem Standpunkt leider nicht sehen aber seine Gitarre rockte und zu Gara sag ich nichts mehr, denn mittlerweile sollte doch allen klar sein, das der Herr ne verdammt coole Sau ist. Und auch hinter dem Drumset war Action angesagt. Allein schon um Drummer Nero zu beobachten lohnt es sich ein Merry Konzert zu besuchen. Der virtuose Rhytmusmeister versteht es definitiv gut, sich selbst in Szene zu setzen und rockte so ab, dass einem oft nichts anderes übrig blieb als den eigentlichen Frontmann dreist zu ignorieren und dem Frontmann in der zweiten Reihe alle Aufmerksamkeit zu schenken. Und mit deutsch-englischen Ansagen wie: Many, many lauter!!! und anderen MCs brachte er auch ohne Weiteres das Publikum dazu, lauter zu johlen.
Der Sound war auch größtenteils in Ordung, wenn auch stellenweise etwas zu laut, denn bei jazziger konzipierten Songs war der Klang etwas breiig und man konnte die Harmonien nur schwer erkennen.
Zur Encore wurde es dann mit Ringo to Uso vorerst etwas poppiger und auch die wunderschöne, bluesige Ballade Omoide Sunset gab nochmal kurz Zeit zu verschnaufen bevor es danach mit Hi no Ataranai Basho, T.O.P. und Violet Harenchi nochmal richtig zur Sache ging. Bei letzterem Song gaben Merry dann wirklich nochmal alles. Nero stand hinter seinem Schlagzeug wie einst Slim Jim Phantom von den Stray Cats während er das Publikum anfeuerte. Auch die Herren an den Saitengeräten trauten sich mal nach vorne und Gara lief zu akrobatischen Höchstleistungen auf und vollführte Kopfstände. Doch diesem gelungenen Abschluss nicht genug packte Gara dann doch nochmal die Punkrock Attitüde und entledigte sich mit einem gezielten Dropkick seines Mikrofonständers bevor er hinter der Bühne verschwand. Der Rest verabschiedete sich dann gebührend von den Fans, verteilten die übriggebliebenen Plektren und Drumsticks und Nero sprach noch ein Wort des Dankes.
Ein überaus gelungenes Konzert das trotz des gewöhnungsbedürftigen Publikums eine wahre Freude für Augen und Ohren war.
Setlist
- Peep Show Intro
01 Kyousou Carnival
02 Sentimental New Pop
03 Dekiai no Suisou
- PEEP♂HOLE
04 Meisai no Shinshi
05 Nisemono Tengoku
06 Kimatteru Taiyou
- PEEP♀HOLE
07 Sayonara Rain
08 Kousoubiru no Uede Last Dance
09 Bara to Katasumi no Blues
10 Refrain
- Kalligraphie
11 Kubutsuri Ronde
12 Retro Future
13 PLTC
14 Lost Generation
15 Japanese Modernist
16 nameless night
17 FREAKS A GO GO
18 Mousou Rendez-vous
Encore
Ringo to Uso
Madokara Nigeta Love Song
Omoide Sunset
Hi no Ataranai Basho
T.O.P
Violet Harenchi
Wir bedanken uns herzlich bei Gan Shin, Neo Tokyo und Merry für die Zusammenarbeit. Die Fotos wurden von Hendrike Tesch gemacht.