Konzertbericht

J-Shock Konzertbericht

06/07/2007 2007-07-06 12:00:00 JaME Autor: kasumi

J-Shock Konzertbericht

Eindrücke vom Abend des J-Shock Events in Köln, Juli 2007

Am 23. Juni 2007 fanden sich um die 2000 Fans japanischer Musik im schönen Köln vor dem Palladium zusammen, begleitet von einer grauen Wolkendecke, welche die Stimmung jedoch nicht zu trüben vermochte. Grund für den kleinen Ansturm war das J-Shock Event, bei dem sich vier Bands aus dem fernen Osten die Ehre gaben - Guitar Wolf, bis, girugämesh und An Cafe. Trotz der seit einiger Zeit steigenden Zahl der Konzerte japanischer Bands im europäischen Ausland war gerade diese Veranstaltung ein Magnet für internationales Publikum vor allem aus dem restlichen Europa. Die vergleichsweise lange Anreisezeit der meisten Leute konnte jedoch nicht gegen die euphorische Vorfreude ankommen, die sich noch während des Wartens diverse Male in schier grundlosem aber umso heftigerem Jubel entlud. Schließlich öffneten sich am frühen Nachmittag gegen 15 Uhr die Türen des Palladiums und ließen die gewohnt begeisterte und hysterische Menge ein.

In einer Art großem Foyer war dann erstmal Warten angesagt, da in der Halle selbst noch fleißig gesoundcheckt wurde. Somit vertrieb sich ein Großteil der Anwesenden die Zeit am Merchandisestand und kam mit etwas Glück und guter Kondition sogar lebendig wieder aus der geifernden und drängelnden Traube heraus. Es dauerte nicht lang und die Türen zur Halle wurden ebenfalls geöffnet. Man hatte sie durch eine Art schwarzen Vorhang aufgeteilt – während die vorderen zwei Drittel die Bühne, eine Projektionswand für PVs der Bands, ein Mischpult und zwischendrin Platz für die Fans boten, fand sich im hinteren Drittel eine für die Autogrammstunden der einzelnen Bands aufgebaute Ecke. Der Zeitplan war verständlicherweise knapp bemessen. Die Bands sollten in der oben genannten Reihenfolge spielen, beginnend 17:15 Uhr. Parallel dazu verliefen im hinteren Teil die Signierstunden der Bands, die folglich gerade nicht auf der Bühne standen. An Cafe sollten hierbei den Anfang machen, da ihre Signierstunde 16:15 Uhr begann. Ich entschied mich jedoch, mir einen möglichst vorteilhaften Platz in den vorderen Reihen zu sichern und das Konzert zu genießen. Der Anteil an männlichen Zuschauern war unüblich hoch, wobei man sich auch diesmal bei manchen Anwesenden nicht sicher sein konnte, zu welchem Geschlecht sie überhaupt zählten.
Irgendwann während des Wartens auf Guitar Wolf drang ohrenbetäubender Hochfrequenzjubel aus dem hinteren Drittel der Halle nach vorn, welcher das Erscheinen von An Cafe ankündigte und auch die letzten Unentschlossenen dazu veranlasste, einen gewagten Sprint quer durch die Halle hinzulegen, um sich der lautstarken Masse am Signiertisch anzuschließen. Die Bandmitglieder schienen moderat schockiert von dem für sie ungewohnten Chaos und die Fans taten ihr Bestes, mit ihrem rücksichtslosen Gedrängel und hysterischem Geflenne einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Schließlich war es soweit – das Licht verdunkelte sich und begleitet von stilvollen Gitarrenklängen betrat jene Band die Bühne, die den Auftakt des abendlichen Events bilden sollte - Guitar Wolf. Was auch immer ich erwartet hatte, das war es sicher nicht gewesen. Vor uns standen drei Männer mittleren Alters (japanische Inkarnationen John Travoltas aus „Grease“), deren Erscheinungsbild sich mit schwarzer Lederkluft, Sonnebrillen und retrogestyltem Haar so gar nicht in das typische J-Rock oder gar Visual Kei Image einfügen wollte. Gerade das war es, was auf den ersten Blick positives Interesse weckte und wie sich herausstellen sollte, waren Musik und Auftreten der Drei nicht weniger vielversprechend. Gitarrist Seiji und Bassist UG rockten mit Toru an den Drums praktisch die Decke von der Halle und das Entsetzen in die Gesichter einiger Fans, die wenig begeistert schienen von den drei Gestalten, die fies auf die Bühne rotzten, sich zwischendurch Kippen ansteckten oder sich einen Schluck aus fragwürdigen Flaschen genehmigten. Während sich im linken Teil vor der Bühne ein kleiner Pogo- und Moshpit gebildet hatte, der von den meisten Umstehenden mit pikierten Blicken bedacht wurde, sprang und bangte der Großteil der Masse mit durchschnittlicher Euphorie zu den überzeugenden Rock’n’Roll Sounds der Band und antwortete auf das zumeist unverständliche Gröhlen Seijis doch mit Begeisterung. Der dreckige Rock, der uns entgegenschallte, brachte definitiv eine Menge Spaß und das Entertainment war erstklassig. Schließlich wagte der Gitarrist einen Sprung von der Bühne und stand im nächsten Moment auf der vorderen Absperrung, bedeckt von zahllosen Händen aus dem Publikum. Er verbrachte ein oder zwei Minuten damit, mit Hilfe der Securityleute ein Mädchen aus der vierten oder fünften Reihe aus der Masse zu ziehen, welches er kurzerhand mit auf die Bühne nahm, ihr seine Gitarre gab und sie darauf nach Herzenslust herumschrammeln ließ. Zusammen rockten die Vier einige Minuten die Bühne und die Menge unterstützte die Nachwuchsgitarristin tatkräftig. Unvergessen bleibt auch Seijis anschließender Sprung vom zwei Meter hohen Verstärker (samt Gitarre versteht sich).
Über Guitar Wolf kann man also sagen, dass sie eine willkommene Abwechslung zu dem sind, was man hierzulande von den J-Konzerten kennt, und von jedem Liebhaber dreckig coolen Rocks sicher das Prädikat „Shit, that was great!“ erhalten werden.

Der nächste Act sollte bis sein, eine noch recht junge Band mit vier Mitgliedern, die mir ebenso unbekannt wie Guitar Wolf waren, aber zweifelsfrei eine solide Fanbasis unter den Anwesenden hatten. Logischerweise sammelte diese sich zu ihrem Auftritt in den vorderen Reihen, wenn nötig auch mit Gewalt, so dass ich es vorzog, etwas weiter hinten Zuflucht zu suchen. „believe in style“ erschienen begleitet von einem Synthesizerintro auf der Bühne und wirkten recht selbstsicher, bedenkt man die Tatsache, dass dies ihr erstes Überseekonzert war und sie sich den Platz mit anderen Künstlern teilten. Nichtsdestotrotz wurden sie mit haltloser Begeisterung empfangen, zumindest von den vorderen Reihen, und begannen mit ihrem Auftritt. Ihre Musik war definitiv spaßiger Rock, hatte jedoch auch Einflüsse aus dem Bereich des Hip-Hop und Pop und die Vocals, die von Zeit zu Zeit von einem Hauch Melancholie oder Nostalgie durchzogen schienen, bildeten einen interessanten Kontrast zu ihrer musikalischen Untermalung. Zweifelsfrei ein Gegensatz zu dem vorigen Act, aber gerade die Abwechslung während des Events machte es sehr sehenswert. Maru, der Vocalist, schien seine Zeit auf der Bühne jedenfalls ebenso zu genießen wie der Rest der Band und ihre Fans. bis überraschten nicht gerade durch revolutionäre Originalität in ihrer Musik, aber das, was sie machten, machten sie gut. Irgendwann während des Konzertes sagte Maru etwas im Sinn von „Es gibt keine Grenze, die wir nicht überschreiten können!“, womit er womöglich auf die allseits bekannte Sprachbarriere anspielte und deren geringe Bedeutung in der Musik. Als Beweis schickte er noch ein MC auf Japanisch hinterher, was die Atmosphäre irgendwie vertrauter wirken ließ und ein paar Punkte auf der Sympathieskala hinterließ.
Ein Häppchen für die Fans gab es noch gegen Ende, als sowohl Maru als auch Gitarrist Tsukasa und Bassist Shunsuke sich vom fiesen Scheinwerferlicht gepiesackt ihrer Oberteile entledigten. Nach ca einer Stunde beendeten bis ihren Auftritt dann und auch die im japanischen Pseudoakzent imitierten „An-ko-re!“-Rufe der Fans konnten nichts an dem festgelegten Zeitplan und dem Umbau für die nächste Band ändern, der bereits begonnen hatte.

Während des Umbaus kam wieder Bewegung in die Masse - girugämesh waren für viele Anwesende ein Hauptgrund, dem Event beizuwohnen und dementsprechend hoch war nun der Andrang in den vorderen Reihen, aus denen sich einige der bis-Fans bereits geflüchtet hatten. Die Spannung und der Erwartungsdrang stiegen proportional zur verstrichenen Zeit und erreichten auch irgendwann wieder den Punkt des Prinzipjubelns, so dass einige Bands sicher den Staff und das Plakat mit dem Bandlogo um soviel Beliebtheit beneidet hätten.
Wie es sich für girugämesh gehört, war ihr Erscheinen eher düster und damit dramatischer inszeniert; das trübe blaue und grüne Licht machte es schwer, etwas zu erkennen, doch als die vier in schwarze Anzüge gekleidete Männer die Bühne betraten, brach auch ihnen eine Welle von Begeisterung entgegen. Sie ließen sich nicht lange bitten und begannen zügig mit ihrem ersten Titel. Schwere Gitarrenklänge füllten die Halle aus und die Aggressivität der springenden und headbangenden Masse schien mit dem harten Rhythmenwechsel ebenfalls zuzunehmen. Satoshis Stimme durchzog die Bandbreite negativer Emotionen von Trauer und Zerrissenheit bis zu aggressiveren Nuancen und auch die Tatsache, dass er in seinem Gesang und seiner Performance aufzugehen schien, konnte seiner stimmlichen Leistung nicht viel Abbruch tun. Der Rest der Band hielt sich größtenteils eher bedeckt und konzentrierte sich auf die Musik und überließ dem Vocalisten mit seinem teils unheimlich bis seltsam anmutenden Gebaren die meiste Aufmerksamkeit; gelegentlich bemühten sich aber auch Gitarrist Nii und Bassist shuU zum Bühnenrand, um den Fans ein wenig einzuheizen, die zur Musik abgingen. Bedenkt man das Bild, welches man während eines solchen Lives von ihnen bekommt, ahnt man wenig davon, dass die vier Musiker backstage genauso durch sind wie andere Leute on stage und alles andere als schwermütige Zeitgenossen. Auch girugämesh gaben sich etwa eine Stunde lang die Ehre, bevor sie die Bühne räumten - auch diesmal blieben die Rufe nach einem Encore erwartungsgemäß unberücksichtigt. Dafür lichteten sich allerdings die vorderen Reihen kurzzeitig ein wenig, da ein Teil der girugämeshfans vor dem nächsten und letzten Act flüchtete.

Noch während des Umbaus bekam man eine Ahnung davon, was einen während des Konzertes wohl erwarten würde. Von allen Seiten tönten "Nyappy!"-Rufe an mein Ohr, von links ganz besonders penetrant mit der Lautstärke eines startenden Flugzeuges, überall nyappy-Hände; hochgezogene Augenbrauen bei den Securityleuten vor der Bühne, in deren Blicken sich leichte Ratlosigkeit spiegelte. Als eine Veränderung in der Beleuchtung und der Beginn des Intros schließlich das Startzeichen für An Cafes Auftritt setzten, gab es kein Halten mehr bei den Fans.
Drummer Teruki und die zwei neuen Mitglieder waren die ersten, welche die Bühne unter tosendem Jubel betraten, gefolt von Bassist Kanon und schließlich Vocalist Miku. Dann schallte uns ihr heiterer Mix aus Synth-Rock und Pop ganz in Oshare Kei-Manier entgegen; die Fans versuchten sich soweit es ihnen der Platzmangel ermöglichte am passenden Para Para dazu und obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass sowohl Band als auch Fans unter dem Einfluss synthetischer Drogen standen, hätte die Atmosphäre lockerer und heiterer nicht sein können. Einzig Gitarrist Takuya schien derart nervös, dass ich mir Sorgen machte, er könnte jeden Moment an Herzversagen sterben. Der große Zuspruch, den er und Keyboarder Yuuki jedoch während des ganzen Konzertes über erfuhren, ließ auch ihn gegen Ende sicherer werden. Aufgrund einiger technischer Probleme (teures Keyboard, Schwerkraft) musste nach den ersten paar Songs jedoch eine kleine Pause eingelegt werden, die mit einem deutsch-englischen MC überbrückt wurde. Miku begrüßte uns alle und ließ die üblichen Phrasen hören, erzählte dann etwas von Würstchen und begann, An Cafes Mitglieder vorzustellen, wobei Yuuki der Running Gag des Abends wurde, da vom Vocal als "Atze" vorgestellt, in Anspielung auf den deutschen Comedian und Pornosonnenbrillenträger Atze Schröder, an den er in der Tat stark erinnerte. Aus irgendeinem Grund hatte sich Miku dann noch dazu entschlossen, einen Zaubertrick zu zeigen, der darin bestand, dass er durch eine zerschnittene, schwarz-orangefarbene Boxershort (Herzchenmuster) schlüpfte und sie anschließend ins Publikum warf. Wie vermutet bekamen die fünf Jungs nach ihrem Auftritt sogar Gelegenheit zu einem Encore, welches einen neuen Titel beinhaltete und nochmal die letzten Restchen Energie aus den Anwesenden kratzte. Schon eine Leistung, bedenkt man die Länge des Konzertes, die trotz Unterbrechungen mit etwa 4,5 Stunden einiges an Kondition erforderte, wenn man die ganze Zeit über Stellung hielt.
An Cafe waren mit Abstand jene Band, die sich durch die meiste Interaktion und Kommunikation mit dem Publikum auszeichnete, was der ohnehin ausgelassenen Stimmung eine unerwartete Nähe hinzufügte und den letzten Teil des Events zu einem gekonnten Abschluss und einer lohnenswerten Erfahrung machte.

Rückblickend war das J-Shock Event eine Veranstaltung, die im Preis-Leistungs-Verhältnis einiges konnte. Obwohl wahrscheinlich nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen Bands gewählt wurden, die durch ihre Unterschiedlichkeit eine möglichst breite Masse ansprechen sollten, war es gerade diese Vielseitigkeit, die dem Ganzen einen spannenden Aspekt verpasste. Auch wenn sich über Geschmack nicht streiten lässt, war die J-Shock doch zumindest für jeden eine Erfahrung wert, dessen musikalisches Interesse genre-übergreifend ist oder der sich einfach auf den Spaß und die Einrücke einließ, die ein solches Konzert mit sich bringt und bringen sollte. Unabhängig davon war es auch dieses Mal traurigerweise wieder ein Teil der Fans, der es verstand, durch sein rücksichtlos aggressives und degeneriertes Verhalten den Abend mit einen unterschwelligen Gefühl intoleranter Feindseligkeit zu überschatten.
Bleibt zu hoffen, dass dies nicht das letzte Ereignis dieser Art gewesen ist, denn trotz allem war die positive Resonanz groß. Vielen Dank jedenfalls an Guitar Wolf, bis, girugämesh und An Cafe.
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