Livereport zum Konzert der Band Dio im Kölschen Club MTC am 14. März 2008
Es begab sich an jenem Freitag, dass es mich wieder nach Köln verschlug. Nicht sonderlich weit von dessen Wahrzeichen entfernt lag der Club MTC, vor dem sich selbst zu früher Stunde schon eine gewisse Menschenmenge befand. Je nach Interpretation herumliegender Alu-Decken haben entweder einige Mutige die Nacht über vorm Club verbracht, oder es war etwas auf den naheliegenden S-Bahn Schienen passiert. [Letztere sollten im Verlauf der folgenden Stunden noch einige Male in meinen Gedanken auftauchen.]
Der Lärmpegel, wie man ihn von solch geselligen Runden kennt, hielt sich noch eine Weile in Grenzen, stieg jedoch mit jeder weiteren hinzugekommenen Gruppe merklich. [Die Personen waren wie immer die üblichen Verdächtigen. Geschminkt, mehr oder weniger gelungen gekleidet und je mit Nickname versehen. Andere finden sich um diese Uhrzeit nicht. Oder doch. Einige die wohl zu geizig waren sich für zehn Euro mehr einen späteren Zug zu nehmen, und deshalb aus Spaß einige Stunden vor Öffnung mittendrin die Luft erwärmten.] Und auffallen tut man seltsamerweise auch, wenn man innerhalb der Auffälligen unauffällig gekleidet ist. Das Klima war angenehm. Nicht unbedingt einladend zum Eis beim Italiener, den man in dieser Gegend lange hätte suchen können, aber doch überraschend warm. Ein Zustand, der sich bis etwa zwei Stunden vor Einlass deutlich änderte, die Leute aber dennoch nicht überzeugen konnte die (ohnehin nicht mitgebrachten) Jacken anzuziehen.
Der Einlass verlief schleppend aber problemlos. Das erfahrene Personal war zwar zügig, jedoch war die Zahl der Besucher wohl einiges über dem Gewohnten, vor allem da die meisten bereits vor offizieller Öffnungsuhrzeit vor Ort waren. Während noch weit mehr als die Hälfte sich draußen die Füße platt standen, wurde meine Wenigkeit mit der Option auf ein Freigetränk für das ich zwei Euro zahlte in den Club durchgelassen, der sich paradoxerweise als ein viel zu großer kleiner Kellerraum präsentierte. [Denn diese Location als zu klein geratene größere Konzerthalle zu bezeichnen, wäre lachhaft.] Aber es störte auch nicht, denn dadurch entstand eine Atmosphäre die hierzulande nur bei großen Namen wie BALZAC oder Guitar Wolf zu erleben war. [Es freut, dass sich auch so manche, vielleicht etwas verwöhnte, Indie-VK-Band zu so etwas verleiten lässt.]
Die Zeit verstrich, und die magische 21 auf dem Uhrzeiger der privaten Digitalanzeige rückte näher. Draußen stand noch eine Menge Leute, und so wurde schnell klar, dass man hier noch eine Weile stehen musste, bevor es losgehen würde. Einige konnten es wohl nicht erwarten und fingen an nach der Band zu rufen, noch lange bevor es offiziell hätte beginnen sollen. Das Prozedere wiederholte sich in der folgenden Stunde noch mehrfach, was jedoch in den Reihen nicht überall für Verständnis sorgte.
Gegen 22 Uhr war es dann endlich soweit: Der Roadie ging noch einmal sämtliche Apparaturen durch und die Nebelmaschine deckte die Bühne ein. Es begann ein Intro, welches, nah am Industrial, vor allem durch die Lichtshow, die die Rauchschwaden zerschnitt überzeugte. Die Band kam einer nach dem anderen unter frenetischem Beifall aus einem kleinen Nebenzimmer hinter der Bühne, und begab sich hinter die jeweiligen Instrumente. Der Sänger, wie gewohnt als letzter auf der Bühne, begann dann auch ziemlich schnell das Konzert. Ich muss gestehen, dass ich die Band bis dahin nur von ein oder zwei Videos und ihrer ersten Single kannte, deshalb mussten sie mich von ihrer Qualität erst noch überzeugen.
Die ersten paar Lieder waren ordentlich, wenn auch nicht unbedingt berauschend. Man hatte Spaß, aber es wirkte noch eher wie so manch übliches Herunterkurbeln der bekannten Lieder. Die erste kleine Pause folgte schnell. Problem war das übliche Gedränge der hinteren Massen auf die ersten Reihen. [Die Armen mussten doch tatsächlich fast auf der Bühne stehen. Welch eine Pein.] Schnell war die Situation geklärt und ich entschied mich das Ganze von etwas weiter weg anzuschauen. Machte weniger Spaß, so weit hinten, erst recht wenn der Sänger zum Mitmachen anfeuerte und durch die nach oben gestreckten Hände die Sicht auf die Bühne komplett bedeckt war. Und das war bis zu dem Zeitpunkt das was die Band am besten machte, sie hatte das Publikum auf ihrer Seite und konnte von ihm die grad benötigten Aktionen verlangen. Wenn schon die paar Metal-Pop-Songs nicht so richtig einheizten, so tat es wenigstens der Sänger. Also wieder zurück zur Mitte - näher ans Geschehen.
Überraschenderweise wurde es ab jetzt deutlich besser. Vielleicht brauchte ich auch nur etwas Distanz von dem Scheinwerfer, der mich bei den ersten vier Liedern so ordentlich gekocht hatte. Die Band wurde härter mit der Musik, und selbst wenn niemand Pogo machte oder sonst wie auffiel, war die Stimmung ganz weit oben. Kurze zweite Pause. Wieder selbes Problem. [Obwohl die hinteren Reihen sich zurückbewegten, hatte man das Gefühl, dass einige Fans dadurch eher einen Weg fanden weiter nach vorn zu kommen. Klar, dass sich dadurch keiner aus den ersten vier Reihen die Position nehmen lassen wollte und sich dadurch natürlich die Pause in die Länge zog.] Der Sänger aber fand wohl gerade das so richtig geil, weil er die Pause selbst beendete, noch während die Roadies die Situation klären wollten.
Mit einem Grinsen im Gesicht ließ er der Meute wieder ordentlich einheizen, diesmal unter anderem mit einem auf gefühlte zehn Minuten gedehnten Stück, bei dem er immer wieder seine Kollegen auf die Mittelposition ließ, damit diese ihr Können zeigen konnten. Das war auch nötig gewesen. Im Normalfall sah man aufgrund der vielen Hände die Musiker selten und wenn sie auch noch dazu headbangten, verschwanden sie ganz am Horizont, sodass man nur die Wipfel ihrer hochgestylten Frisuren sah. So aber präsentierten sie sich in erhöhter Position, sodass auch die hintersten Reihen sie zu sehen bekamen. Währendessen bearbeitete der Sänger das Publikum nach Belieben. Mal auf der rechten, mal der linken Seite die Hände ins Publikum streckend und auch so etwas wie Stagedive versuchend, sorgte er bei der Hörerschaft für noch mehr Stimmung. Die Band verabschiedete sich danach kurz von der Bühne, warf die ersten Plektren in die Menge und auch einige Wasserflaschen, die mit Freude gefangen wurden.
Die folgende Pause wurde erneut dazu genutzt die Menge nach hinten zu bewegen. [Wie in den hinteren Reihen bemerkt wurde, war es mal wieder der übliche Querulant, der sich auf Gedeih und Verderb, wissend über Konsequenzen, in die erste Reihe spurt und sich später darüber beschwert, dass ihm zu viel gedrängelt wird.] Da sich Einige in den ersten Reihen, trotz der Ankündigung das Konzert nicht fortzusetzen, für den Fall das weiter gedrängelt wird, nicht zurückzogen, zog sich die Pause auf ewige zehn Minuten. Erst nachdem einer der Mitarbeiter vom Club die Situation ein weiteres Mal erklärte, wurde etwas Platz geschaffen und das Konzert ging endlich weiter.
Erst kam nur der Schlagzeuger zurück. Weil seine ehemalige Band ähnlich einer Oshare Kei Band hieß, hatte ich ihn auch immer als "irgendwie so dabei" empfunden. Ein böser Irrtum. Der Junge ballerte dem Publikum die folgenden fünf Minuten ein Solo nach dem anderen rein. Mal langsamer, mal mit ordentlich Double Bass. Er hätte ruhig noch mal die gleiche Zeit alleine weiter trommeln können. Die Meute vor der Bühne hätte ihm irgendwann in voller Trance nur noch willenlos weiterapplaudiert. Aber seine Einlagen nutzte er ab einem gewissen Zeitpunkt dazu die einzeln zurückkehrenden Mitglieder wieder auf ihre Plätze zu dirigieren. Der Sänger kam mit freien Oberkörper zurück und präsentierte der hauptsächlich weiblichen Menge den durchtrainierten Six-Pack. [Bei so was würde wohl nach einer Weile selbst der letzte Metaller an seiner Überzeugung "Warum nur ein Six-Pack, wenn man auch ein Fässle haben kann?" zweifeln.]
Gemeinsam stimmten sie ihr letztes Stück an, es könnten auch mehrere perfekt in einander verwobene gewesen sein, bei dem der Sänger immer wieder das Publikum zum Mitgröhlen aufforderte. Die Fans machten da natürlich mit und sorgten für einen ordentlichen Abschluss des Abends. Die Band packte noch mal die Brechstange heraus und brezelte was die Instrumente hergaben auf die Menge herab. Dann war der Spaß nach etwa zehn Minuten aber auch schon wieder vorbei. Das war das einzige schlechte an diesem Abend: Die Nettospielzeit von gefühlten 80 Minuten. Dio verabschiedeten sich gebührend von den Fans mit den üblichen Geschenken, von denen die brechbaren, sofern in kampfbereiten Händen gelandet, den Abend nicht überlebten. Außerdem versuchten sich fast alle Mitglieder im Stagedive. Die Versuche endeten aber durchgehend mit zweifelhaftem Erfolg, und so musste der Roadie in die Menge greifen um die Musiker wieder heraus zu zerren.
Der Club hielt mit der Band mit und setzte im Gegensatz zur Musik vor Beginn der Show, die hauptsächlich nach britischen Indies klang, auf melodischen Metal. So hat sich das geübte Publikum spontan den Liedern von Disturbed und System of a Down hingegeben. Irgendwann ging der Club wieder zum Normalbetrieb über und holte die eher typischen Kneipenbesucher von den Straßen. Draußen ging für die Fans das Warten los und man stellte fest, dass es wohl wen am Fuß erwischt hatte, der dann humpelnd zum Krankenwagen geleitet den Rest des Abends zumindest im Warmen verbracht haben dürfte. Nach etwa einer Stunde, wahrscheinlich mehr, nachdem die Show vorbei war, kamen die meisten Wartenden zu ihrem Glück, ließen sich ihre Poster signieren und machten Fotos. Nur hatten sie eines nicht bedacht. Während Gitarrist erina, Sänger mikaru und Schlagzeuger denka fleißig die Wünsche abarbeiteten, verzogen sich Gitarrist kei und Bassist ivy schnell im Tourbüschen, wodurch den meisten wohl das Unikum eines mit nur drei Unterschriften unterzeichneten Posters oder Flyers erhalten blieb. Und wieder zog ich nach verrichtetem Werk zufrieden von dannen, feststellend, dass Köln doch ein Nachtleben hat. Nur nicht in der Einkaufspassage beim Hauptbahnhof.