Review

LUNA SEA - COMPLETE BEST

27/04/2008 2008-04-27 12:00:00 JaME Autor: Stefan

LUNA SEA - COMPLETE BEST

Am 26.03.2008 erschien das neue Best Of Album von LUNA SEA.

Album CD

LUNA SEA -COMPLETE BEST-

LUNA SEA

Künstler: LUNA SEA
Titel: COMPLETE BEST
Typ: Compilation-Album
Stil: JRock / Visual Kei / Hard Rock / Metal / Progressive Rock
Veröffentlichung: 26.03.2008
Wertung: 9/10

Tracklist:

DISC 01:
1. BELIEVE
2. IN MY DREAM (WITH SHIVER)
3. ROSIER
4. TRUE BLUE
5. MOTHER
6. DESIRE
7. END OF SORROW
8. IN SILENCE
9. STORM
10. SHINE
11. I for You
12. gravity
13. TONIGHT
14. LOVE SONG

DISC 02:
1. LOVELESS
2. Déjàvu
3. SLAVE
4. SWEETEST COMA AGAIN (feat.DJ KRUSH)
5. WITH LOVE
6. Be Awake
7. Crazy About You
8. JESUS
9. Providence
10. BREATHE
11. UP TO YOU
12. PRECIOUS...
13. MOON
14. WISH


Auf LUNA SEAs Karrierestationen muss hier nicht detailliert eingegangen werden - nach der Gründung 1989 folgte 1991 das erste Indies-Album (passenderweise auf dem Extasy-Label von Yoshiki) und zwischen 1992 und 2000 weitere sechs Major-Studioalben.
Als die Band gegen Ende 2000 ihre Trennung verkündet und 50000 Fans das letzte Konzert im Tokyo Dome erleben dürfen, hat sie Millionen Platten verkauft, unzählige mittlerweile quasi legendäre Live-Konzerte absolviert, und die Mitglieder haben allesamt bereits erste Schritte auf Solopfaden hinter sich, die sich nun teils mehr, teils minder erfolgreich fortsetzen. Knapp sieben Jahre nach der Trennung dann die Überraschung: LUNA SEA werden wieder im Tokyo Dome für eine (zunächst...?) einmalige Reunion-Show zugegen sein! Anlässlich des "GOD BLESS YOU ~one night déjàvu~" betitelten Events richten zahlreiche Fans, darunter eine stark vergrößerte Anzahl an Bewunderern von "Overseas", ihre Augen wieder auf die fünf Musiker, und fast zeitgleich erscheinen "remastered" Versionen aller Alben der Band. Und schließlich schneit uns noch diese Compilation mit dem simplen aber bezeichnenden Titel "COMPLETE BEST" ins Haus.

Das altbekannte Problem bei "Best Of"s ist natürlich, dass der eingefleischte Fan mitunter an starken Gewissensbissen leiden muss, ob er/sie denn nun bereit ist, den vollen CD-Preis für eine Sammlung auszugeben, von der er/sie möglicherweise bereits den Großteil oder gar alle Tracks, verteilt auf den regulären Alben der Band, im Regal stehen hat. Um diesen Punkt also im Vorfeld zu klären, sei hier darauf hingewiesen, dass auf "COMPLETE BEST" absolut nichts neues enthalten ist - es handelt sich durchweg um Tracks, die auch auf Studio-Alben vertreten sind - mit Ausnahme einer B-Seite ("SLAVE"). Werfen wir allerdings einen kurzen Blick auf die bisher erschienenen Compilations von LUNA SEA, so lässt sich hingegen immerhin feststellen, dass hier immer eine Sammlung vorliegt, die für den "Einsteiger" eigentlich das beste Rundum-Sorglos-Paket darstellt. Zum Vergleich: Auf dem 1997 erschienenen "SINGLES" sind, wenig überraschend, alles acht bis dahin veröffentlichten Singles inklusive B-Seiten enthalten; auf "PERIOD -THE BEST SELECTION-" aus dem Jahr 2000 findet sich ein Querschnitt, der gewissermaßen eine reduzierte Version vom neuen "COMPLETE BEST" darstellt (wobei angemerkt sei, dass auf "PERIOD" einige Klassiker in Neuaufnahmen präsentiert werden); und "ANOTHER SIDE OF SINGLES II" stellt sozusagen eine Ergänzung zu "PERIOD" dar, indem es die B-Seiten der dort enthaltenen Singles von 1998-2000 enthält.

Äußerlich bietet "COMPLETE BEST", wie bei LUNA SEA üblich, eine eher zurückhaltende Eleganz, um nicht zu sagen Minimalismus. Mittig im Booklet finden sich mehrseitig silbrig getünchte Fotocollagen mit Porträts aus den verschiedenen Schaffensperioden der Band, und eine sehr angenehme Überraschung sind die englischen Übersetzungen sämtlicher Songtexte, wie es bereits ein paar JRock-Künstler anlässlich aktuellerer Releases vormachten. Man merkt, in den Sitzungen der japanischen Labels und Manager wird mehr und mehr international gedacht! Die Tracklist von "COMPLETE BEST" ist recht sinnig angelegt: Auf DISC 01 finden sich, in chronologischer Abfolge, alle 14 Singles der Band, vom '93er "BELIEVE" bis zum 2000er Abschiedstrack "LOVE SONG" (der übrigens alleinig auf keinem LUNA SEA-Studioalbum zu finden ist). DISC 02 wiederum möchte offensichtlich in voller Breitseite weitere Klassiker abseits der Singles präsentieren.

Hört man die Sammlung in der vorgegebenen Reihenfolge durch, bietet die erste Disc somit einen Schnelldurchlauf durch die Entwicklungsstadien der Band, oder zumindest deren Mainstream-affine Seite. "BELIEVE" ist dabei ein wirklich mitreißender Anfangspunkt, denn hier gibt die Band in einem nahezu perfekten Beispiel eine poppige, mit leichter Melancholie verhangene Uptempo-Visual-Nummer vor - und wahrscheinlich hätten heute nicht so viele Visual-Bands ähnliche Songs in ihren Repertoires, wenn LUNA SEA nicht diesen Einfluss geleistet hätten. Auf dem dazugehörigen zweiten Major-Album Album EDEN war die Band in der Tat gerade dabei, ihren düstereren Indies-Sound abzulegen, was im Anschluss auch "IN MY DREAM (WITH SHIVER)" belegt. Die zwei nächsten Tracks hauen allerdings wieder etwas mehr auf die Zwölf - hier haben wir neben "TRUE BLUE", einem atmosphärischen Rock-Track, vor allem das allmächtige "ROSIER", einen der quintessenziellen LUNA SEA-Songs: hohes Tempo, hochpräzise Rhythmus-Sektion durch Bassist J und Drummer Shinya, texturale Gitarren-Arpeggien von INORAN, virtuose Licks und Soli von SUGIZO und schliesslich RYUICHIs intensive Vocals. Aus Elementen aus Hard-Rock, Metal und Pop, vermengt mit einem Schuss New-Wave/Goth-Rock, kreiert die Band hier einen äußerst mitreißenden Song.

Auf den Titeltrack des dazugehörigen Albums "MOTHER", eine übrigens absolut beeindruckende Ballade in Moll, folgen zwei weitere schnelle Ohrwurm-Tracks vom '96er Album "STYLE" in ähnlichem, aber poppigerem Stil, "DESIRE" und "END OF SORROW", sowie die brilliante U2-inspirierte Ballade "IN SILENCE". Hierbei steht die Band sozusagen ziemlich genau auf dem Wendepunkt zur vorherrschenden Pop-Eingängigkeit, ohne an Intensität zu verlieren. Nach einem Jahr Solo-Auszeit folgen 1998 drei Singles und dann das Album "SHINE"; Hier erinnert "STORM" noch am ehesten an Vorheriges, während mit "SHINE" (der Single) eine leichtfüßige Gitarrenpop-Hymne, komplett mit "oooh-oooh-oooh"-Chor im Refrain, geboten wird. Aber der absolute Schmachtfetzen ist "I for You", eine der im "Mainstream" bekanntesten LUNA SEA-Nummern: Hier kommt die Gruppe dem Typus des klassischen Liebeslieds am nächsten, und obwohl der Song unbeschämt großspurig ist, ist "I for You" dennoch musikalisch eher dramatisch als nur "schmalzig". Hartgesottene Fans der frühen LUNA SEA mochten diese neuen Songs teilweise nicht, aber es war auf jeden Fall eine effiziente Weiterentwicklung, die der Band zu neuen Popularitätshöhen verhalf. Zwei Jahre später war das letzte LUNA SEA-Album "LUNACY" Ergebnis langer, ambitionierter Studio-Sessions und kündigte sich mit "gravity" und "TONIGHT" an. "gravity" erinnert hier vielleicht an ein ruhigeres "TRUE BLUE" - es wird alles auf eine sehnsuchtsvolle Atmosphäre gesetzt, die von INORANs ebenso atmosphärischem Gitarrenspiel getragen wird. "TONIGHT", der hier kürzeste Song, bietet einen fast punkig rockenden Gegenpol, der der Band Gelegenheit gibt, ein letztes Beispiel ihrer schnellen, unmittelbareren Seite zu geben. Zu guter letzt geht "LOVE SONG" in Richtung Monumental-Ballade, aber nur im positivsten Sinne, und der Band gelingt ein hübscher, wehmütiger Abschied.

Nach dem kompletten Single-Aufgebot hat DISC 02 aber wie gesagt mitnichten nur willkürliche Album-Tracks zu bieten. Hier wurde in den Fundus von Live-Favoriten und Klassikern gegriffen, die für LUNA SEA zum Teil vielleicht ausschlaggebender sind als einige der Singles, und die Selektion hört sich trotz der scheinbar durcheinandergewürfelten Reihenfolge sehr stimmig an. So wie bei zahllosen LUNA SEA-Konzerten wird mit "LOVELESS" von 1994 eröffnet, einem leicht Prog-Rock-artigen Song, der langsam an Intensität gewinnt, während SUGIZO sich an seiner dreihalsigen Gitarre austobt. Vom Album "IMAGE" lässt es dessen Highlight "Déjàvu" daraufhin krachen, und das treibende, düstere "SLAVE" von der "BELIEVE"-Single, das sozusagen die Hymne des gleichnamigen LUNA SEA-Fanclubs darstellt, geht über in "Sweetest Coma Again" von "LUNACY", eine groovige Angelegenheit mit Turntable-Gastauftritt von DJ KRUSH. Nach der lärmigen aber stimmungsvollen '96er Ballade "WITH LOVE" folgt der 2000er Track "Be Awake", mit dem der Band eine perfekte Hommage an den Indies-Sound ihrer Frühzeit gelingt. Vom gleichen Album bietet "Crazy About You" mehr Balladeskes auf "I for You"-Territorium, dem dann "JESUS" von "EDEN" wieder ein Metal-affines Gegenbeispiel setzt.

Anschliessend geht es wieder in langsamere Gefilde, angefangen mit dem melancholisch-minimalistischen, durch SUGIZOs Violine charakterisierten "Providence" vom selben Album, das vom ruhigen, noch recht akustischen "BREATHE" und dem monumentalen "UP TO YOU" von "SHINE" abgelöst wird. An dieser Stelle sei einmal der Wechsel in RYUICHIs Singstimme thematisiert, der bei dieser Abfolge besonders deutlich wird, denn anlässlich seiner Pop-Solokarriere wechselte der Sänger 1997 zu einer wärmeren, sanfteren Klangfarbe, die tatsächlich etwas vom vorigen resonanteren Pathos vermissen lässt. Ob die neueren Tracks mit "alter" Stimme besser geklungen hätten, sei dahingestellt - ich persönlich würde der Tatsache keinen zu hohen Stellenwert zugestehen, denn singen kann RYUICHI so oder so, und auch nach 1997 gelangen der Band, wie hier offensichtlich, noch einige Klassiker. Wie dem auch sei, mit "PRECIOUS..." wird die 2000er Neuaufnahme des '91er Indies-Tracks geboten, die uneingeschränkt abrockt und wegbereitend für das Finale aus "MOON" und "WISH" von IMAGE ist. Ersterer Song geht wieder mehr in Richtung einer Prog-Rock-beeinflussten Ballade; "WISH", das wie zuvor "PRECIOUS..." in neuerer Aufnahme vertreten ist, ist natürlich als traditionell letzter Song bei Konzerten eines der zeitlosesten LUNA SEA-Werke - eine schnelle, poppige Hymne, die stets abertausenden Fans den im Einklang mitgesungenen Songtext entlockte.

Nun ist natürlich bei Compilations immer die letztendliche Bewertung von so vielen verschiedenen Gesichtspunkten zu bedenken, wie es (potenzielle) Fans gibt. Beäugelt man die CD z.B. durch die Augen eines Hardcore-LUNA SEA-Fans, würde man vielleicht negativ einbeziehen, dass hier ja nun schlicht und ergreifend nichts neues geboten wird. Da sehen die Dinge aus Sicht eines Neuentdeckers der Band schon ganz anders aus, denn für den/die ist hier wirklich eine ausgewogene Ansammlung an JRock-Klassikern der 90er geboten, die mit großer Wahrscheinlichkeit Lust auf mehr machen werden. Letztendlich möchte ich den Standpunkt vertreten, dass "COMPLETE BEST", egal welchen Hintergrund der spezifische Hörer nun hat, mehr oder weniger exakt einhält, was es bereits durch seinen Titel verspricht - und über die Musik selbst müssen gar nicht erst große Wertungen vergeben werden, denn die ist wie gesagt über jeden Zweifel erhaben.
Abschliessend stellt sich vielleicht noch die Frage: Merkt man denn wirklich was von dem überall zitierten "Remastering", das die Tracks durchlaufen haben sollen? Als Begriff ist "remastered" ja immerhin relativ schwammig und deutet in einigen Fällen auf einen einfachen Angleich der Lautstärken und des Frequenzspektrums hin, während anderorts eine komplette Neubearbeitung und -mischung des Quellmaterials aus den Studios gemeint sein kann. Man mag das über hochwertiges HiFi- oder professionelles Studio-Equipment natürlich besser beurteilen können, aber schon in einer durchschnittlichen Hörsituation macht sich gerade bei Sachen von den ersten drei Alben tatsächlich eine erhöhte Brillianz bemerkbar und man bekommt den Eindruck, als klängen die einzelnen Instrumente klarer und weniger "dünn" nebeneinander. Es sind natürlich weiterhin die selben Aufnahmen, also ist das ganz und gar kein Nachteil.
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