Review zum ersten Omnibus Album des Labels marder suitcase.
Künstler: Diverse Künstler: Syndrome, Sally, shiki, GARDEN, syster,
KAWON, Verfe~gorl~, Jakura, MAHIRO
Titel: B.J.maniac
Typ: Omnibus Album
Release: Juni 2001
Stil: Rock / Metal
Bewertung: 7.0 / 10
Tracklist:
01. Syndrome - Deformity Child
02. Sally - ubugoe
03. shiki - kusa sakura
04. GARDEN - doku
05. syster - HEAVEN
06. KAWON - 10%
07. Verfe~gorl - utakata no yume
08. Verfe~gorl - doku to mitsu to biyaku no kaori
09. Jakura - jakura shi zenshuu I
10. MAHIRO - haiiro no sora
Da hab ich also wieder mal einen recht alten Schinken ausgegraben. Ich finde es wichtig, dass man auch heute noch darüber Bescheid wissen sollte, wie denn viele der heutigen Stars der Szene einst ihre Brötchen backten. Außerdem ist es schön in Nostalgie zu verfallen, wenn man die einstige Bekleidung vieler Bands sieht. Schön, dezent und nicht zu bunt. Das waren noch Zeiten. Und heutzutage kennt man ja im Durchschnitt bestenfalls noch zwei der Bands. Wer an Klassik also nicht interessiert ist darf an dieser Stelle ruhig das Segel streichen.
Beginnen wir mit Syndrome, zu der Zeit der Aufnahme noch ohne Asagi (D), dafür aber mit Kenichi (Merry) und natürlich dem allgegenwärtigen KISAKI. Das Lied hat feine Industrial Anleihen, und man merkt recht schnell, dass der damalige Sänger weit unter dem Niveau seines Nachfolgers sang. Nach etwas mehr als einer Minute kommt eine Zäsur und das Lied wird mit komplett anderer Komposition fortgesetzt. Viel Backvocal Geschrei, andererseits aber guter Instrumenteneinsatz. Nach der Hälfte des Liedes wartet man und wartet, wann denn der Gesang wieder einsetzt, denn das eintönige Gekreische geht einem auf Dauer auf die Nerven. Dann wieder Zäsur, neue Komposition, wieder mit Gesang, und später wieder mit Gekreische. Der Gesamteindruck ist furchtbar, aber die instrumentelle Leistung ist durchaus gelungen.
Kommen wir nun also zu Sally. Sänger hina dürfte aus hurts bekannt sein, Gitarrist erina war vor kurzem gar in Europa mit Dio unterwegs. Der Bass ist eine Wucht. Die Strophe ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber ordentlich. Der Refrain ist ein wenig wirr, aber absolut dem damaligen Zeitgeist entsprechend. Auch wenn man nicht ganz zufrieden ist mit dem jungen Sänger, der Rhythmus nimmt einen gefangen. Ein wenig mehr Text hätte dem Stück sicher nicht geschadet, ist aber dennoch eine deutliche Steigerung gegenüber dem ersten Lied.
Die Nächsten, shiki, auf der Platte waren richtiggehend Eintagsfliegen. Machen aber ordentlich Stimmung. Guter Metal. Gesang weit entfernt vom Maß aller Dinge, und auch bei der Gesamtkomposition hapert es ein wenig. Das Lied überzeugt leider erst am Ende wieder. Da geben die vier Musiker noch mal ordentlich Zunder. Dies rettet das Stück aber nur vor dem Mittelmaß.
GARDEN, obwohl einst eine Bastion guter Musik, war die Endstation für die Musiker, die eher früher aufgefallen waren. Und wie erwartet legt die Band auch gleich ein bretthartes Metal-Intro hin. Auf Konzerten konnte man dazu sicherlich gut Spaß haben. Der Refrain ist erstmals auf dem Album wirklich gelungen. Auch wenn man sich das "nach Luft schnappen" vom Sänger, welches als Gimmick ins Lied eingefügt wurde, auch hätte sparen können. Dafür kommt aber wieder der sehr melodiöse Refrain. Endlich ein richtiges Highlight.
Das Lied vom syster, macht wieder hellhörig. Da spielen die doch tatsächlich ein komplett versifftes Rock-Intro, das sich schnell punkige Züge aneignet. Passt eigentlich so gar nicht auf die Platte, weil es nichts mit den üblichen VK Stilen zu tun hat. Hauptsache ist aber, es macht Stimmung, und das nicht zu wenig. Ab der Hälfte wird es kurzzeitig ein wenig ruhiger. Dieser Teil erinnert eher an die üblichen Muster, die man von der Szene gewohnt ist. Alles in allem ein ordentliches Lied. Ein wenig mehr Komposition oder Melodie hätte aber trotzdem nicht geschadet.
KAWON sind als nächste dran. Als amtlich beglaubigter Phantasmagoria Nichthörer, bin ich dennoch gespannt, was KISAKI in Sänger Riku (damals noch Genji) fand, was ihn dazu verleitete diesen später in seine Band zu holen. Und was man zu hören kriegt ist optimistisch gesehen, ein sehr mittelmäßiges Stück im Stile vieler Matina Bands. Realistisch gesehen ist es schlicht ergreifend absolut schlecht. Gekreische, Metal-Dröhnung und gefühlte fünf Wörter Strophe. So etwas kann man nicht gut reden. In der Mitte kommt endlich normaler Gesang, aber auch der entbehrt jeglicher Tonalität. "10%" ist so ein typisches "nomen est omen" Lied. Die 10% standen dabei wohl auf die erbrachte Leistung. Auf der Bühne so etwas hinzuklatschen würde sicher für Begeisterung sorgen, da es perfekt zum Moschen im Vollsuff geeignet ist. Das aber auf eine Platte pressen zu lassen, grenzt beinahe an Arbeitsverweigerung. Glücklicherweise muss man das Stück keine zwei Minuten ertragen.
Die folgende Band hatte wohl besonders gute Beziehungen zum Label. Gleich zwei Lieder bekam die Gruppe mit dem schmucken Namen Verfe~gorl. Was er bedeuten soll wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Denn nur noch wenige Musiker, der an starker Fluktuation leidender Gruppe, sind heute noch aktiv. "utakata no yume" lässt sich schwer einordnen. Das Intro ist zwar recht alltäglich, der Gesang ein wenig zu viel Nagoya-kei und dann auch noch Gegröle. Alles schon mal gehört, und oft auch besser komponiert. Dennoch schafft es die Band zur Mitte hin mit einer feinen Melodie, und ein wenig Bass, das Lied wieder in die Gewinnzone zu retten. Und erst hier ist der etwas nölige Nagoya-kei Gesangstil richtig platziert. Wenn man also die erste Hälfte erfolgreich verdrängt, ist es ein gutes Lied.
Und so wie es scheint machen sie den Fehler mit dem schlecht komponierten Anfang beim zweiten Lied nicht mehr. Der Gesang ist zwar im positiven Sinn unter aller Sau, aber nur so kann man dieses Arrangement umsetzen, und deshalb übersieht man gerne die Probleme des Sängers. Insgesamt ist das Lied teils forsch, teils groovig, aber immer mit der nötigen Prise an Melodie, auch wenn diese dem Hörer zuweilen gut versteckt nahe gebracht wird.
Der vorletzte Gast auf dem Sampler dürfte zahlreichen Fans bekannt sein. Immerhin hatte man irgendwo garantiert mit der Band zu tun, und sei es auch bei der strittigen Frage ob die Band sich nun Jakura oder doch Jyakura schreibt. Und wenn man dafür keine Minute aufgewendet hat, dann hat man als hiesiger Fan dann doch den einen oder anderen aus der Gruppe kennen gelernt. Der Bassist war im April mit Versailles in Deutschland und auch der Drummer war bis vor kurzem im nicht unbekannten Quartett bis aktiv. Ihr frühes Werk erinnert ein wenig an "Mazohyst of Decadence" von Dir en grey, zumindest dessen Mittelteil mit dem "Monolog" in der Mitte. Die stetig im Hintergrund spielende Grundmelodie ist fast verschenkt. So einen Kracher für das eher langweilige Lied zu verbraten ist eine Schande. Und das Ganze dann auf fünf Minuten auszudehnen verschlimmert die Sache nur noch. Im Endeffekt kann man sagen, herausragend, weil selten, aber mittelmäßig, weil überraschungsarm.
Zum Abschluss kommt noch mal was für Kenner der Szene der späten 90-er. MAHIRO, seines Zeichens einst Sänger der Gruppe FAME, erlaubte sich als Besitzer des Labels einen kleinen Solo-Ausflug. Die Stimme kommt einem vertraut vor, wohl weil sie sehr harmonisch ist, was bei der Stimmlage schnell zu Verwechslungen führen kann. Das Lied ist sehr angenehm anzuhören. Eine gelungene Abwechslung zu den teilweise lieblosen Metal Verschnittstücken, die man auf dem Sampler fand.
Fazit:
Es gab weitaus schlechtere Omnibus-Alben in der Geschichte der Visual Kei Szene. Und mit der Menge an, damals, bekannten Künstlern bekommt man auch heute noch einen guten Überblick über die Vielfalt der damaligen Zeit. Schade ist dass manche der Künstler sich nicht durchsetzen konnten, da sie schlicht und ergreifend Anachronismen waren, zu einem Zeitpunkt da die Szene bereits nach Veränderungen suchte, welche erst einige Jahre nach diesem Sampler der Szene zu neuem Wachstum verhalfen und auch einige neue Band mit vergleichbaren Stilen Fuß fassten und berühmt wurden.
Und obwohl jedem guten Stück im Endeffekt ein mittelmäßiges gegenübersteht, sind die meisten letzterer einfach nur schwach in Komposition. Was aber verwundert, ist die Tatsache, dass diejenigen, die später am meisten Erfolg haben würden, auf diesem Album die mit Abstand schlechteste Leistung erbringen. So ungerecht kann die Szene eben sein.