Am 22. August erscheint das aktuelle POLYSICS-Album in Deutschland, ein Review zum Raketenstart ins zweite Jahrzehnt der neon-orangenen Kult-Band könnt ihr bereits jetzt bei JaME lesen!
Künstler: POLYSICS
Titel: We ate the machine
Typ: Album
Stil: Indie / Elektro / Punk
Veröffentlichung: 23.04.2008 (Japan), 22.08.2008 (Deutschland)
Wertung: 8/10
Tracklist:
1. Moog is Love
2. Pretty Good
3. Rocket
4. Kikai Tabechaimashita
5. DNA Junction
6. Kagayake
7. Pony to Lion
8. Arigatou
9. Irotokage
10. Mind Your Head
11. Digital Coffee
12. Boys Girls
13. Blue Noise
14. Dry or Wet
Der CD liegt das japanische Booklet mit einigen Farbfotos bei, außerdem ein englisches Booklet mit den Übersetzungen der Lieder.
Über zehn Jahre sind seit der eher schrammelig-punkigen Indies-Phase der POLYSICS ins Land gezogen, als Bandleader Hayashi eine Formation von Musikern um sich sammelte, die den gewollt überdrehten Sound der amerikanischen Kult-Band Devo als Schlüsselinspiration nahm, um ahnungslose Trommelfelle mit einem ebenso verrückten Elektro-Punk à la japonaise in zackige Vibrationen zu versetzten. Bereits Anfang dieses Jahrzehnts konnten POLYSICS Achtungserfolge in den USA vermelden, als das dortige Kult-Label Asian Man Records mithalf, Fans außerhalb des Heimatkontinents zu festigen - und die vier Musiker, deren Zusammenstellung sich unter Hayashis Adleraugen das eine oder andere mal verfeinerte, spielten sich über die Jahre rege durch kleine Clubs und Vorprogramme anderer Bands, was nebenbei ihren Ruf als grell uniformierter und hochstrombetriebener Live-Act immer weiter in 'unseren' Gefilden verbreitete. Müsste man die POLYSICS mit einem Satz beschreiben, würde man vielleicht sagen: abgedrehte Popmusik aus der Zukunft, so wie man sie sich Anfang der '70er Jahre beim Anschauen einer futuristischen Anime-Serie vorgestellt haben könnte.
"We ate the machine" heißt nun der letzte Streich der vier New-Wave-Pop-Punks, und gewissermaßen ist der Titel Programm - oder zumindest insofern, als dass die Band mittlerweile ihre elektronische Komponente, die neben Hayashi vor allem von Keyboarderin Kayo in Form von Retro-Synthie-Sounds, wilden Filter-Effekten und Gesangsmanipulation geliefert wird, perfekt in die klassische Besetzung aus Gitarre, Bass und Drums - letztere zwei geliefert durch Fumi und Yano - integriert hat. Passenderweise wird gleich zu Anfang volles Tempo mit dem entsprechend programmatischen "Moog is Love" (gemeint ist natürlich der legendäre Hersteller aus der Pionierzeit analoger Synthesizer) vorgelegt, das mit schön krachigen Indie-Gitarren und Disco-Groove von Null auf Hundert geht. Beim anschließenden "Pretty Good", das zuvor schon als Single herauskam, klingt der Retro-Einfluss in Form von souligem Rhythmus, Orgelsounds und Harmoniegesängen durch - "Very good fun", um den Songtext zu zitieren, macht sich also spätestens jetzt breit! Der dritte Track "Rocket" exponiert daraufhin im piepsend-blechernen Versteil hier zum ersten mal Kayos Vocals - und da ihre Stimme dem Klischee des kindlich-hohen Gesangs recht nahe kommt, passt das natürlich ausgezeichnet in den hier vorherrschend Highspeed-Bubblegum-Punk und bildet einen guten Gegensatz zu Hayashis etwas kreischiger Stimme. Ungefähr aus diesen Extremen schöpft die Band ein breites Arsenal aus flimmernden, kraftvollen Popsongs, die in jeweils durchschnittlich kaum über drei Minuten unzählige Ideen verarbeiten und sich wohl stets kaum hundertprozentig ernst meinen - sei es die fast Heavy Metal-mäßge Nummer "Kikai Tabechaimashita" (Im Booklet so geschrieben, auf der Rückseite der CD steht jedoch der Titel "I ate the machine"), "Pony to Lion" mit Progrock-artigem Solo und Talkbox-Effekt, Oldschool-Rap-Einflüsse bei "Arigatou", das funky "Irotokage" oder das nach der 8-Bit-Version eines monumentalen JPop-Schlagers klingende "Blue Noise". Und auch wenn die Songs manchmal schon ziemlich lärmig und schräg werden, bleiben Struktur und Gesang meistens bei euphorischem (wenn auch eigensinnigem) Pop, der kaum Platz für eine Atempause lässt.
Dass emotionaler Tiefgang und subtile Klangwelten eher zwei Punkte sind, die irgendwo ganz unten auf dem POLYSICS-Manifest vermerkt sind, sollte jedem klar sein; hier geht es um intensive, schnelle, spaßige 'Feelgood'-Songs, die mit zwinkerndem Auge Elemente des Punkrock und der frühen New Wave- und Elektro-Musik zitieren und dabei sozusagen bewusst-postmodern ihre eigene Oberflächlichkeit zelebrieren, um die ausgelassene, verspielte Stimmung bis zum Anschlag auszureizen. Was wirklich eine angenehme Überraschung ist, ist dass Hayashis orange eingekleidete Band es geschafft hat, auf "We ate the machine" nicht nur wieder mal ein rasendes Tempo vorzulegen und lustige Vocals und Sound-Gimmicks zu verarbeiten, sondern diese auch in eine Sammlung wirklich eingängiger, poppiger Songs einbettet, die schon aufgrund des Songwriting selbst ordentlich quietschfidel abrockt. Dass sich der POLYSICS-Sound dabei bisweilen etwas wiederholt, sei der Gruppe wirklich verziehen, denn das tut dem akuten Anstieg des allgemeinen Stimmungspegels beim Durchhören mitnichten Abbruch.