lynch. - Ambivalent Ideal
Erklärung, warum man an David Lynch denkt, aber David Cronenberg sieht.
Künstler: lynch.
Titel: Ambivalent Ideal
Typ: Single + DVD
Release: Oktober 2008
Stil: Rock/Metal
Bewertung: 9.1/10
Trackliste:
01. Ambivalent Ideal
02. DOZE
DVD:
01. Ambivalent Ideal PV
Nachdem die letzte Single mir vor allem wegen des ersten PVs der Band viel Freude bereitet hatte, war ich wegen der geradezu inflationären Entwicklung im Bereich Video leicht überrascht. Offenbar waren die Reaktionen durchweg positiv, weshalb man den Fans ein weiteres Schmankerl anbieten wollte. Was die Lieder angeht, so hat es Tradition, dass Singles nicht als Albumauskopplungen, sondern als eigenständige Werke verstanden werden. Deshalb ist die CD mal wieder eine Schachtel Pralinen. Eine Karamellfüllung oder andere Abscheulichkeiten zu erwarten, ist bei einer Bastion guter Musik wie lynch. in etwa so wie Lottospielen, natürlich mit Hoffnung auf einen Sechser. Die Chancen stehen also recht gering.
Und wie nicht anders zu erwarten, bekommt man einen soliden Metal-Opener, der einen sofort zum Headbangen einlädt. Die Strophe wirkt in ihrer tiefen Tonlage recht bedrohend, was dann auch schnell in einem Kampfschrei ausartet, der wiederum alle (Saiten-)Elemente entfesselt. Der Refrain ist im typischen hohen, balladesken Gesang gehalten. Wie immer findet man ein paar Ähnlichkeiten zu den omnipräsenten DIR EN GREY, die aber so schwerwiegend nicht sind. Insgesamt recht überraschungsarm, aber sehr angenehm. Was man eben mit dem Namen lynch. verbindet. Zum Schluss noch mal ein wenig Aggressionen loswerden und fertig sind fünf Minuten Unterhaltung.
"DOZE" kann da in Sachen Dauer nicht mithalten. Alleine der Blick auf die wenigen Zeilen im Booklet deutet ein recht kurzes Vergnügen an. Dieses ist aber umso mehr Vergnügen, weil es ohne abzuschweifen Full-Speed Metal liefert. Einige ordentliche Growls und deftige Riffs später wünscht man sich die Band nur noch ein weiteres Mal endlich nach Deutschland. Etwa zur Hälfte wird man dann doch überrascht. Das gesamte Tempo wird herausgenommen und eine leicht dahinsiechende Melodie wird einem für kurze Zeit geboten, bevor wieder der Hass empor steigt. Das Adjektiv siechend ist insofern zutreffend, als dass man kurz vor der Metal-Erruption ganz kurz den vom EKG bekannten Dauerpiepston, der Herzstillstand bedeutet, hört. Ebenfalls ein sehr feines Stück.
Nun zur DVD. Das Video bewegt sich gleich auf zwei VK-Hochzeiten, wovon eine sehr, sehr Oldschool ist. Einerseits lässt die Band sich beim Spielen ihrer Instrumente filmen, andererseits läuft eine in grünstichigen Bildern gefilmte Krankenhausszene. Während erstere zwar deutlich vom Durchschnitt abgehoben, aber dennoch irgendwo standardisiert ist, besitzt die zweite Szenerie einen ordentlichen Horror-Charakter. Ein komplett in weiß gekleidetes Mädchen, oder zumindest junge Frau, die in einem Rollstuhl sitzt und unter anderem schweigend die Nahrungsaufnahme verweigert. Vor der zweiten Strophe fließt der Patientin eine gewisse Menge Blut den Fuß herunter, woraufhin sich diese unter Schmerzen anfängt zu winden und sich die Haare auszureißen. Passend zur Musik wird noch ein kleines Schockmomentchen eingefügt und fertig ist ein David Cronenberg Film. Vielleicht hätte sich die Band diesen Regisseur als Namensvetter aussuchen sollen. Was ihre Videos angeht, wären sie seinem Stil deutlich näher. Auch wenn die Namenspatenschaft ja offiziell einen anderen Hintergrund hat.
Fazit:
Wieder einmal haben lynch. bewiesen, dass sie ihr Handwerk verstehen, und dass sie für Auslandstourneen längst überfällig sind. Einziger Wermutstropfen für die Leute, die diese Single ohne DVD gekauft haben ist, dass sie mit etwa acht Minuten Laufzeit ein wenig kurz ist. Oder zumindest kurz erscheint. Da aber bisher alle Singles nur zwei Lieder enthielten, zumindest alle seit ihrer Reformation im Sommer 2006, führt dies zu keinem Abzug. Sicherlich wären einige Kleinigkeiten wie immer verbesserungsfähig, aber das betrifft maximal das Songwriting, nicht aber die instrumentelle Unterlegung.