Review

Matina - PRELUDE

27/10/2009 2009-10-27 10:43:00 JaME Autor: Viktor Hemminger

Matina - PRELUDE

Ein Rückblick auf die Glanzzeiten von Matina

Album CD

PRELUDE

∀NTI FEMINISM, AZALEA, DAS:VASSER, Dué le quartz, Madeth gray'll, Mist of Rouge, Syndrome

Künstler: Diverse Künstler
Titel: PRELUDE
Typ: Album
Release: April 2000
Stil: Rock
Bewertung: 8.5 / 10


Tracklist:
01. Madeth gray'll - kuroshouzoku no shirabe
02. AZALEA – Pornography
03. Mist of Rouge - sabaku
04. DESCRIBE - Silent moon
05. Orgel (orugooru) - Suicide…
06. NADIA - Tears like a snow
07. Zephyr - kuon no tsuki
08. ∀nti Feminism - BAD BOY "
09. Eze:qul - katatsubasa no XX nikki
10. DAS:VASSER - shoukougun ~syndrome~
11. vellaDonna - SABOTAGE
12. Vice†risk - [ARK]
13. Due'le quartz - kikai shikake no butoukai
14. Syndrome - SAD MASK


Was gibt es zu einem Label zu sagen, das einst so bekannt war wie die PS Company heute - und womöglich noch einen ähnlich wichtigen Status besaß? Wie so oft ist das Artwork und ähnliches sehr ordentlich gestaltet, die Bands präsentieren sich mit ihren Fotos mehr oder weniger gekonnt und stylish. Den einen gelingt es, den anderen nicht, das sind die Regeln eines Omnibus Albums. Zu beachten wäre, dass sich selbst die CD nicht immer sicher ist, wie denn nun die einzelnen Bands richtig geschrieben werden. So gibt es gleich zwei Schreibweisen für diverse Bands - mal mit und mal ohne Sonderzeichen. Über die Transkription lässt sich wie immer streiten. An und für sich ist so was ja egal, Hauptsache, die Musik stimmt am Ende - aber stören tut es einen dann doch irgendwie.

Madeth gray'll geben einen ordentlichen Einstand. Gelungenes Instrumentalintro, danach ein paar - von der VK-Szene längst vergessene - Qualgeschreie. Insgesamt angenehm dezent und schön düster, so wie es sein sollte. Ein paar Mängel wie die damals unvermeidlichen Stöhngesänge lassen sich zwar nicht umgehen, man ignoriert diese aber mit der Zeit. Eine kleine Überraschung hält das Lied für den Ersthörer parat: Zur Mitte des Songs gibt es eine Zäsur, nach der das Lied von Neuem aufgerollt wird. Diesmal wirkt es zumindest deutlich gelungener. AZALEA starten mit gedämpftem Gesang, was zur Folge hat, dass sich zumindest der Autor an ein ähnliches Lied aus der damaligen Zeit erinnert fühlt. Nicht nur die sehr markante Stimme von hina, nein auch die Gitarre und eigentlich das gesamte musikalische Arrangement können sich sehen - oder doch eher hören - lassen. Einzig die Überlänge hätte man vermeiden sollen.

Mist of Rouge, so ungern man es sagt, sind mit ihrer stereotypen Genialität derart vorhersehbar, dass einen jegliche Idee in diesem Lied nicht mehr überraschen kann. Durch Synthesizer verzerrte Stimme, Gekreische und Gekicher, Gitarren am Limit und ein wirres "Drehbuch" - das Beste aber ist, dass man es ihnen wie immer nicht übel nehmen kann. Es mag derselbe Quatsch sein wie immer - wie immer aber neu interpretiert. Getreu ihres Titels schalten DESCRIBE geschätzte fünf Gänge zurück und liefern eine Ballade; so denkt man zumindest bei dem dargebrachten Anfang. Aber sieben drei Viertel Minuten wollen schließlich gefüllt werden, und deshalb liefern die Jungs einen etwas alltäglich gehaltenen Melancholiker-Rock. Der Sänger hat eine sehr angenehme Stimme, was bei solchen Liedern schon einmal die halbe Miete ist. Hinzukommen eine leicht überproduzierte musikalische Hintergrunduntermalung und ein deutlich übertriebener Monolog nach fünf Minuten. Aber ehrlich gesagt: X JAPAN haben vom Aufbau her sehr oft vergleichbare Kompositionen hervorgebracht und bei denen störte sich ja auch keiner daran.

Orgel - oder wie auch immer die Jungs sich verstanden haben - liefern ein paar recht hörbare Riffs und einen sehr interessanten Sänger frei Haus. Auch wenn alles recht sinnvoll miteinander verwoben wird, bleibt das Lied irgendwie unauffällig. Bei dem Titel hätte man sich vielleicht ein wenig mehr Knall-Bum erhofft; zumindest macht der Track aber nicht viel falsch. Das, was NADIA liefern, ist wiederum eine unerwartete Wendung - ein M. Night Shyamalan-Manöver, wenn man so will. So ganz und gar untypisch für Matina-Verhältnisse stellt sich diese Band dar. Erstens sah das Trio aus wie Post -VK-Pop-Rocker à la L'luvia und zweitens kam ihre Musik aus eben dieser Sparte. Glücklicherweise erfüllen sie die nötigen Voraussetzungen für gute Poplieder - eine eingängige Melodie, wenig Hektik und eine optimierte Stimme. Dass die Jungs mit dieser Art von Musik das eindeutig falsche Label ausgesucht hatten und somit ihren Untergang selbst einläuteten, ist bedauernswert, denn einen gewissen Reiz hat das Lied schon. Und L'luvia hatten es ja schließlich auch zu einem Major-Vertrag gebracht.

Zephyr bieten wieder typische Hausmannskost. Sehr bekannte Gitarrengänge und eine tausendfach gehörte Melodie sind zwar nicht unbedingt das Schlechteste, was man sich antun kann, überraschungsreich ist allerdings etwas anderes. Ein wehmütiges Gitarrensolo, seinerzeit ebenfalls unausweichlich, rundet das Lied dann noch ab. Alles stimmt und dennoch ist man nicht zufrieden. Ein schönes Lied, ein gutes Lied - aber leider absolut nichts Besonderes. ∀nti Feminism erwecken einen mit Brachial-Punk aus der verordneten melancholischen Lethargie. Passt absolut nicht auf die Scheibe, weil es sich fernab jeglichen Matina-"Klischees" bewegt, aber das macht das Lied interessant, denn immerhin war Labelchef KISAKI öfters mit der Band unterwegs. Nicht jedermanns Geschmack, aber eine willkommene Abwechslung.

Eze:qul überraschen ebenfalls. Das Stück als etwas anderes als moderne Poesie zu bezeichnen, fällt schwer. Die Strophen sind im Stile des Hippie-Klassikers "In the year 2525" gehalten, nur eben ohne Melodie und stattdessen mit Hintergrundmusik. Diese Gedichtlesung wird irgendwann glücklicherweise von einem sehr melodiösen Refrain abgelöst. Und dieser kann sich wirklich hören lassen. Über allem steht dann schließlich ein herzhaftes "Pein hasgone" (Pain has gone), welches an den Anfang des Refrains gestellt wurde. Trotz dieser Steigerung bleiben die Strophen nur schwer genießbar. DAS:VASSER bieten dann wieder dreckigeren Punk-Rock, wobei der Rock die Überhand hat. Ist man sonst von ihnen selten gewohnt, aber das Lied macht Spaß - wenn eigentlich auch relativ gewöhnlich arrangiert, aber ein paar neue Ideen sind durchaus dabei. Für Punk ist der Song allerdings etwas zu lang geraten.

vellaDonna bieten vielleicht nicht den ultimativen Song, dafür aber ordentlich Tempo. Der Sänger nimmt zwar ein wenig davon wieder heraus, die Instrumente halten aber trotzdem eine gewisse Mindestspannung. Zum Ende hin steigert sich dann auch der Vokalist mit hinein und der Song erreicht Sphären, die man sonst von SEX MACHINEGUNS gewohnt ist. Prima Sache. Der Sänger mit der relativ gewöhnlichen Stimme begeistert übrigens auch heute noch mit seiner Band grimm, welche weiterhin gute Kontakte zu ∀nti Feminism-Chef Kenzi und somit auch zu KISAKI pflegt. Vice†risk starten hingegen mit leichten Gothic-Tendenzen, ehe sie sich ihrer Label-Zugehörigkeit besinnen. Einige härtere Riffs helfen über das erste Viertel des Liedes hinweg, bevor der Sänger einsetzt. Die Abstimmung ist nicht unbedingt optimal und Zensurpiepser sind auch nicht wirklich die Krönung. Aber die Jungs brettern ordentlich vor sich hin. Ein gutes Solo mit in den Mixer geworfen und der Cocktail wird doch halbwegs gelungen. Der leicht nasale Refrain bietet dann sogar noch die Prise Originalität, die Matina-Bands oft fehlte.

Ein weiterer Gast auf dem labeleigenen Sampler sind Due'le quartz. Mit einem seltenen Song, den die Leute aber womöglich von deren Best-of kennen, liefern sie wie gewohnt eine solide Leistung ab. Der Bass und noch mehr die Gitarre stehlen den beiden anderen Akteuren deutlich die Show. Hat ein paar kleine Ungereimtheiten, ist aber sehr gut. Bei Syndrome weiß man im Gegensatz dazu niemals woran man ist. Mal liefern sie sehr interessante Lieder, mal den letzten Schrott. In diesem Fall ist es glücklicherweise die erste Alternative. Ähnlich wie schon Zephyr ist es allerdings ein altbekanntes Schema, das hier abgegrast wird - ein hypermelancholisches Rockepos, mit ein und denselben Riffs wie man sie schon hunderte Male gehört hat. Dementsprechend muss es der Gesang herausreißen. Dies gelingt zwar einigermaßen - trotz oder vielleicht auch gerade wegen der leicht atonalen Stimme. Hierbei sei angemerkt, dass es sich bei dem Sänger nicht um Asagi handelte. Das Lied wird damit zwar nicht gerettet, zumindest aber wird ein geringes Maß an Eigenständigkeit erwirkt.


Fazit:
Dass die Wertung trotz der vielen "alltäglichen" Songs dennoch so hoch ausfällt, verdankt der Sampler zweierlei Tatsachen: Erstens sind, wie gesagt, die Lieder an und für sich sehr solide und es findet sich auch kein Supergau darauf. Das schwächste Lied - von Eze:qul - entschädigt durch einen famosen Refrain, und selbst an die Strophen könnte man sich mit der Zeit gewöhnen (Inugami Circus-dan strapazieren die Nerven mit einzelnen Ideen weitaus mehr). Zweitens erwartet man beim Kauf eines Matina-Samplers ja eben diese Art von Musik. Mit der Sorge, so zu klingen wie 90% der verkrusteten Musikkritiker, wagt der Autor die leise Formulierung des "früher war halt einiges besser". Den heutigen Indies ist zu großen Teilen der Hang zur Melancholie abhanden gekommen. Zwar ist die Metal-getränkte Wut der jungen UNDER CODE-Heroen auch nicht das Schlechteste, aber die vielen Gitarrensoli fehlen immer mehr. Was früher Indie war ist heute tiefster Untergrund. Und Sampler aus diesem zu erhalten ist im Vergleich zu damals wesentlich schwieriger geworden. Also sollte man sich an den leicht zugänglichen Klassikern laben und zumindest hin und wieder in Nostalgie schwelgen. Für Leute, die noch nie mit Matina in Berührung kamen, bietet dieses Album den optimalen Einstieg. Es lohnt sich.
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Zugehörige Veröffentlichungen

Album CD 2000-04-26 2000-04-26
∀NTI FEMINISM, AZALEA, DAS:VASSER, Dué le quartz, Madeth gray'll, Mist of Rouge, Syndrome
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