Ende des Monats erscheint die neue Live-DVD von Dir en grey, wir schauten vorab rein und verraten, was Euch erwartet.
「・・・薔薇が再び( )刈る」- "THE ROSE TRIMS AGAIN"
SE SA BIR
1. OBSCURE
2. GRIEF
3. AGITATED SCREAM OF MAGGOTS
4. DISABLED COMPLEXES
5. Merciless Cult
6. toguro (蜷局)
7. namamekashiki ansoku, tamerai ni hooemi (艶かしき安息、躊躇いに微笑み)
8. AGITATED SCREAM OF MAGGOTS -uplugged-
9. CONCEIVED SORROW
10.ryōjoku no ame (凌辱の雨)
11.DOZING GREEN
12.audience KILLER LOOP
13.LIE BURIED WITH A VENGEANCE
14.THE DEEPER VILENESS
15.CLEVER SLEAZOID
16.REPETITION OF HATRED
ENCORE I
1. undecided
2. higeki wa mabuta wo oroshita yasashiki utsu (悲劇は目蓋を下ろした優 き)
3. GLASS SKIN
ENCORE II
1. HYDRA 666
2. gaika, chinmoku ga nemuru koro (凱歌、沈黙が眠る頃)
3. 朔-saku-
4. THE IIID EMPIRE
5. rasetsukoku (羅刹国)
Nach drei Jahren bringen Dir en grey wieder eine Live-DVD heraus, die ein gesamtes Konzert enthält und noch dazu nicht nur ihrem Fanclub a knot vorbehalten ist. Dabei halten sie die Schlussphase ihres umstrittenen Albums "THE MARROW OF A BONE" fest und weihen gleichsam ihr neustes Werk "UROBOROS" ein - das zum Zeitpunkt des Konzertes noch nicht auf dem Markt erschienen ist.
Die DVD beinhaltet den Gig vom 18. Oktober 2008 im Shinkiba Studio Coast, ein Zusatzkonzert und somit Finale ihrer japanischen "THE ROSE TRIMS AGAIN"-Tour. Anders als bei den Aufzeichnungen zuvor wird nicht das Konzertgeschehen während dem "UROBOROS"-Einspieler "SA BIR" gezeigt, dem Zuschauer wird eine Art Vorspann geboten, der direkt in das erste Lied "OBSCURE" übergeht. Dies lässt bereits die wütende Stimmung, die sich bis zum Ende hindurch ziehen wird, erahnen, auch wenn gerade Gitarrist Die seinen Auftritt besonders zu genießen scheint. "OBSCURE" leitet über zu "GRIEF" und "AGITATED SCREAMS OF MAGGOTS", die lichttechnisch Kyos Wünschen angepasst wurden. Der Sänger hatte bereits in Interviews verlauten lassen, dass er zu helles Licht verabscheue, gerade wenn er dadurch alles erkennen könne. Natürlich ist dies für Schaulustige nicht gerade von Vorteil, doch untermalt es die Atmosphäre perfekt. Zu erwähnen ist auch, dass der Eindruck entsteht, dass bei dieser DVD darauf geachtet wurde, die einzelnen Bandmitglieder gleichberechtigter zu zeigen, obschon Kyo dennoch die zentrale Figur des Geschehens ist. "Merciless Cult" wohnt nicht nur eine neue, schaurige Stimmung inne, sondern das Publikum darf auch fast die gesamte zweite Strophe, wenngleich auf fragwürdige Art und Weise, mitsingen. Nachdem der darauf folgende Jubel verflogen ist, wird es still im Studio Coast, da nun die Darbietung von "toguro" durch Kaorus Gitarrenspiel eingeleitet wird. Kyo steht auf seinem Podest, leicht nach hinten gelehnt, und bewegt seinen Oberkörper, Arme und Hände ganz so als wolle er den Liedtitel lebendig machen ("Das Sich-Zusammenrollen"). Dabei besticht er durch eine kraftvolle Stimme, die ihm so manch einer nicht mehr zugetraut hatte.
Direkten Übergang bietet das balladenhafte "namamekashiki ansoku, tamerai ni hooemi" mit neuem Text und einer zerbrechlichen Aura, die die Band durch ein ruhiges Spiel respektiert. Zum ersten Mal verliert Kyos Stimme an Kraft an diesem Abend, obwohl gerade dies dazu führt, dass jener Titel einem Gänsehaut bereitet, wenn nicht sogar die ein oder andere Träne abverlangt. Plötzlich aber wird man aus diesem fast andächtigen Zustand herausgerissen, da schrilles Klavier und eine ebenso schrille Stimme sich förmlich durch den Kopf fressen. Wieder Stillstand, selbst vor dem Bildschirm. Ganz gleich welche Meinung man zu der Unplugged-Version von "AGITATED SCREAMS OF MAGGOTS" haben mag, ignorieren kann man es nicht, ob nun aufrichtiges Mitgefühl, ehrfürchtiges Erstarren oder tiefe Abscheu. Überhaupt zeichnet das Dir en grey aus, niemals belanglos, dazu braucht es auch nur wenig Bühnenshow oder Spezialeffekte. Es wird mit dem Klang gespielt, mit dem Licht oder gar mit den Körpern der Protagonisten selbst, weswegen man auf pompöse Inszenierungen nun völlig verzichtet. Vielleicht kann man dies als puristisch bezeichnen; ob das nun positiv oder negativ zu bewerten ist, ändert nichts an dem, was die Band ausdrücken will.
Bis jetzt halten sich alle Beteiligten sogar sehr zurück, so auch während "CONCEIVED SORROW", als solle das Publikum nichts weiter als Musik und Stimme wahrnehmen. Als die letzten Töne von "DOZING GREEN" in der Halle verstummen, treten die Bandmitglieder zurück und machen die Bühne sozusagen frei für Kyos A-cappella-Auftritt, der eigentlich eine treffendere Beschreibung verdient hätte. Die Japaner nennen es "okyō", natürlich ein Wortspiel aus Kyos Namen und der Bedeutung des Ausdrucks: Sūtra. In der Tat entspricht das eher dem "Schauspiel", das man "geboten" bekommt. Mit leiser, buddhistisch angehauchter Untermalung beginnt Kyo ebenso leise einige Wortfetzen in den Saal zu entlassen, die mit einem Male lauter werden. Nur noch am Ende vernimmt der Zuhörer einen textlosen Singsang, ehe wohlbekannte Klänge zu dem "VULGAR"-Eröffnungslied "audience KILLER LOOP" die Halle erfüllen; dabei beschleicht den Betrachter das Gefühl, der Titel sei Programm. Fortgesetzt wird das mit den nächsten Liedern bis hin zu "REPETITION OF HATRED", bei dem zweifelsohne die Stimme ausgezerrt verklingt, während Kaoru, Die, Shinya und Toshiya konzentriert und meist fehlerfrei gespielt haben. Letzterer aber scheint ein wenig unversöhnlich zu sein, zumindest könnte man diesen Eindruck haben, so wie er die Bühne verlässt, wenngleich unter Jubelschreien.
Als Zuschauer erhascht man nun einen Blick auf Kerzen und Marienfiguren auf der Bühne, bevor die Band erscheint. Die aggressive Grundstimmung hat sich mit dieser ersten großen Pause soweit gelegt, dass das zarte "undecided" klar und weich vorgetragen werden kann. Es handelt sich hierbei um die neu eingespielte Version des "kisō"-Klassikers, die die letzte Single "GLASS SKIN" beinhaltet hat. Kyo singt dieses Lied ganz ohne mit dem Publikum zu kommunizieren, sehr introvertiert, fast abwesend, aber dennoch berührend, was sich bei "higeki wa mabuta wo oroshita yasashiki utsu" nicht nur weiter trägt, sondern verstärkt. Auch Die gibt sich dem Spiel seiner Akustikgitarre hin, während Kyo offensichtlich mit schmerzlichen Erinnerungen zu kämpfen hat, besonders an jener Stelle, an der er seine Kette umgreift und den Anhänger fest drückend umschließt. Man könnte fast meinen, das leise Seufzen, das im Dunklen nicht wahrzunehmen ist, zu hören, als das Piano von "GLASS SKIN" erklingt, das den Ablauf innerhalb der Band zwar wieder ein wenig normalisiert, dennoch bleibt etwas Verwirrung zurück. Wieder schafft es Kyo nicht, seine Stimme beim Falsett zu halten, doch scheint ihm das wenig auszumachen.
Die zweite und somit letzte Zugabe folgt und findet in "HYDRA 666" einen interessanten und ungewöhnlichen Anfang. Kyo betritt die Bühne mit einer Art Nō-Maske, die er laut Fanclubmagazin während dem Touraufenthalt in Kyoto erhalten hat. Sie weist deutliche Spuren von Beschädigung auf, wohl gewollt, die Farbe blättert ab und zusammen mit dem grünen Licht erzeugt sie eine gruselige Atmosphäre. Die fehlende Mimik Kyos und die Tatsache, dass sein Körper beim Ausbreiten der Arme in vielfacher Vergrößerung auf das Tourbanner (das religiös gestaltet ist) projiziert wird, während die Menge "666" brüllt, unterstreichen diese Furcht einflößende Grundstimmung. Gegen Ende des Liedes nimmt Kyo die Maske ab und zum Vorschein kommt ein Ausdruck, der von Zorn gezeichnet ist. Selbst das bis dato noch unbekannte Lied "gaika, chinmoku ga nemuru koro" hat diesen Hauch, der sich langsam auch auf das Publikum überträgt. So lässt es sich gerne von Kyo zum Springen und Grölen provozieren, der Sänger belässt es aber nicht dabei und wird in seiner Wortwahl bisweilen ausfallend. Das letzte Lied kündigt Kyo obligatorisch mit "Last Song" an, auch wenn er es unzählige Male wiederholt. Nichtsdestotrotz bebt die Halle, als "rasetsukoku" den Anwesenden ein letztes Mal alles abverlangt.
Ein wenig wirkt Kyos Klatschen am Ende des Konzertes höhnisch, doch lässt sich das bei der Verabschiedung nicht eindeutig feststellen.