Review

Schwein - dokusai no buta

24/09/2009 2009-09-24 08:48:00 JaME Autor: Viktor Hemminger

Schwein - dokusai no buta

Vom Schwein, das gern Diktator wäre

Single CD

Dokusai no buta

Schwein

Künstler: Schwein
Titel: dokusai no buta
Typ: Single
Release: August 2009
Stil: Metal/Rock
Bewertung: 9.1 / 10


Trackliste:
01. dokusai no buta
02. tenshinranman zouchou man


Knapp anderthalb Jahre gingen ins Land, seit die Gruppe hurts und mit ihr der bekannte Sänger hina von der Bildfläche verschwanden. Nun darf sich der geneigte Fan doch freuen, und zwar gleich über drei Fakten: Erstens ist besagter Sänger wieder aktiv. Zweitens hat er seiner Band einen Namen gegeben, dessen Ursprung in unseren Breitengraden liegt - man musste schließlich lange genug auf gute deutsche Wörter in VK Bandnamen warten. Und drittens dürfte die Zusammensetzung der neuen Band die Freunde des Nagoya-kei mehr als glücklich stimmen. Sowohl altgediente Bassisten (yairi, ex- Verfe~gorl) als auch junge Gitarristen (yam, ex- Shuft) fanden hier ein neues zuhause. Bleibt also nur zu hoffen, dass die Musik allen drei Argumenten entsprechend gestaltet wurde.

Das seltsame Frontcover hätte es einem von vornherein sagen müssen: die Jungs haben einen an der Klatsche. Ein uniformiertes Schwein vor der Kriegsfahne des japanischen Kaiserreichs? Dazu der deutsche Name und ein Titel, der frei übersetzt „Schwein der Diktatur“ heißt. Oder vielleicht sogar „Diktatorenschwein“? Und was liegt da am nahesten? Richtig, man knallt erst mal dem Zuhörer eins vor den Latz, indem man einen Ausschnitt aus der Rede Hitlers vor dem Nürnberger Reichsparteitag (Quelle offenbar der Riefenstahl Film „Triumph des Willens“) einsetzt. Der Parental Advisory Stempel ist also zumindest nicht für umsonst drauf. Auch wenn man solche Aktionen in der Vergangenheit zu oft schon erlebt hat aus der japanischen VK Szene, es ist jedes Mal aufs Neue irritierend. Auch wenn hier der Titel Programm ist. Dafür ist die Musik eindrucksvoll. Ein Donnerriff hallt über die Boxen, bevor hina mit einem Gesangsstil zwischen Punk und Metal die abgehackte Strophe singt. Die Überleitung zur zweiten Strophe ist herzhaft atonal und die Jungs brezeln im Hintergrund auch nicht gerade wie Chorknaben. Der Refrain ist angenehm punkig und einfach „not equal god, not equal dog“, und das sagt ja wohl alles. Die Aggression, welche die beiden Autoren vor dem Schreiben offenbar mit Schöpflöffeln gegessen haben, wird 1:1 auf den Hörer übertragen. Wer da nicht mit verkrampften Luftgitarrenriffs mitmacht, der sollte seine Finger vom Metal lassen. Ein Song, den man hören sollte, bevor man im Garten den lästigen Apfelbaum fällen geht.

tenshinranman zouchou man“ - wobei das letzte Kanji oft als Männername „Mitsuru“ übersetzt wird - verläuft musikalisch auf ähnlichen Pfaden. Deftiger Metal herrscht zu Beginn, bevor der Vokalist mit seiner unikalen Stimme sanftere Töne anstimmt. Parallel grooven die Musiker aber unvermindert weiter. Der Refrain, der folgt, erinnert irgendwie an eine männliche Version von Sandra Nasic unter der Ägide der Guano Apes Schreiber. Zur Mitte hin kommt eine kleinere Überraschung, der Sänger geht in der Tonlage zwei Oktaven höher und verwandelt den Song kurzzeitig in ein in der Atmosphäre schwebendes Sektenlied. Zum Glück mutet er das den Hörern nur etwa zwanzig Sekunden lang zu, bevor er in Riesenschritten wieder zu der für Metal benötigten Tiefe gelangt. Die zweite Hälfte des Songs ist dann eine Variation der bereits bekannten Kompositionselemente.

Fazit:
Für eine erste Scheibe sehr gut. Jetzt müssten nur noch die Erwartungen an die Nachfolger erfüllt werden. Immerhin zwei der drei Hoffnungen wurden erfüllt - einzig der unverkennbare Nagoya-kei Stil ließ sich entschuldigen. Und dennoch – auch trotz des gewöhnungsbedürftigen Intros des ersten Songs – ist die Gesamtleistung über dem aktuellen Durchschnitt. Die wenigen Abzüge wegen kleinen Unstimmigkeiten und dem übertrieben sphärischem Gesang im zweiten Song könnten sicher mit der Zeit behoben werden. Nach zwei Songs ist es freilich schwer, eine Empfehlung auszusprechen, aber wenn die Jungs das Niveau halten, wären sie ein guter Tipp für eine dezente Europa Clubtournee.
WERBUNG

Zugehörige Künstler

Zugehörige Veröffentlichungen

Single CD 2009-08-05 2009-08-05
Schwein
WERBUNG