Review

lynch. - SHADOWS

09/01/2010 2010-01-09 15:24:00 JaME Autor: Viktor Hemminger

lynch. - SHADOWS

Sprach der Rabe: “Nimmermehr”

Album CD + DVD

SHADOWS (Limited Edition)

lynch.

Künstler: lynch.
Titel: SHADOWS
Typ: Album
Veröffentlichung: Juli 2009
Stil: Melodischer Rock / Metal
Bewertung: 9.3 / 10

Trackliste:
01. LAST NITE
02. ADORE
03. MAZE
04. EVILLY
05. I DON'T KNOW WHERE I AM
06. AMBIVALENT IDEAL
07. THE BLASTED BACK BONE
08. SHADOWZ
09. CULTIC MY EXECUTION
10. MARROW


Warum kommt einem Poe als erstes in den Sinn? Nun, womöglich ist es die Kombination aus Cover-Artwork und dem Image der Musiker als hochwertig düstere Gesellen der Post-VK Szene. Andererseits sind die Texte der Band inhaltlich denen des Horror-Altmeisters sehr ähnlich. Auch wenn man einige Videos der Band anschaut, kann man Ähnlichkeiten erkennen. Man darf also gespannt sein, ob sich mit dem neuen Album die Erwartungen erfüllen.


LAST NITE” beginnt im Suspense Stil mit einem Keyboard. Nach einer halben Minute ist aber der Kopf nur noch in vertikaler Achse beweglich. Die Gitarristen dreschen einen bösartigen Riff von ihren Instrumenten, man glaubt es kaum. Vielleicht nicht wirklich neu, aber in Kombination mit dem weiter agierenden Keyboard eine Wucht. Hinzu kommt der stets leidende Gesang. Im Refrain wird es dann ein wenig ruhiger und melodischer, und das Lied entfaltet sich zu einem epochalen Klangerlebnis. Eigentlich fast schon zu pop-lastig, aber irgendwie noch vertretbar. Das Ende lässt ein wenig auf sich warten, hat aber noch den selben Thrill wie der Anfang.

"ADORE“ geht gleich zur Sache. Punk auf Metal getrimmt, versetzt mit den lynch.-typischen Gesangshöhen. Die Growl-Parts überzeugen fast noch mehr als die normale Stimme des Sängers. Nach dem fulminanten Auftakt wird es kurz etwas ruhiger, bevor die Gitarristen wieder Vollstoff geben. Dass der Refrain zum Mitsingen geeignet ist, dürfte vielleicht einigen Metallern missfallen, aber der großen Masse sollte es entgegenkommen. Schade nur, dass der Song recht kurz ist.

"MAZE" beginnt so bekannt, dass man fast meinen könnte, der Sänger würde gleich mit der Strophe “Tonight, I wanna give it all to you…” beginnen. Dafür bekommt man dann aber doch ein paar nette, melancholische Zeilen präsentiert. Obwohl lynch. damit nicht unbedingt das Rad neu erfinden, wissen sie doch zu gefallen. Und vor allem werden sie ihrem Image als „Edel-Düsterrocker“ gerecht. Warum sich Emo-Bands kacke anhören, weiß man nach diesem Song: Sie wissen nicht, wie sie ihr Produkt verpacken sollen. Leiden auf hohem Niveau will gelernt sein.

"EVILLY“ soll die Leute danach wieder wachrütteln. Riffs und Growls addieren sich in diesem Song zu Rhythmus und richtig getimter Musik. Es ist unglaublich. Das Lied hat man schon gefühlte 1000 Mal an jeder Ecke und in jeder letzten Metal-Spelunke Nordbadens gehört und dennoch schafft es dieser Song, den Hörer mitzunehmen. Schlecht, wenn man seine Haare dem Friseur geopfert hat. 20 mm eignen sich wenig für ordentliches Headbangen. Live dürfte der Song definitiv gut abgehen.

Gemäß dem Titel des Songs "I DON’T KNOW WHERE I AM“ weiß auch der Hörer nicht ganz genau, wo er gelandet ist. So richtig nach lynch. klingt das Lied nämlich überhaupt nicht. So viel englischer Text ist bei der Band selten bis einzigartig. Und wenn man den Text durchliest, kommt man dem ersten Gedanken mit Poe wieder sehr nahe. Inhaltlich geht es darum, dass der Sänger seines Wesens als Geist bewusst werden möchte, um dann festzustellen, dass sich somit für ihn alles ändert. Die musikalische Untermalung geht bei dem Text fast völlig unter, weil man sich auf die Lyrics konzentriert. Und damit macht sie alles richtig. Ein zu aufdringlicher Ton hätte das Lied sicherlich zerstört.

Zu "AMBIVALENT IDEAL“ hatte ich ja in meiner Single-Review schon genug gesagt. Erinnert immer noch ein wenig an DIR EN GREY, wobei die Frage im Raum stehen bleibt: welche Visual-Band im Metal-Metier erinnert nicht irgendwie an DEG? Düstere, harte Strophen und melodiöser Gesang sind seit eh und je die Basis für den Erfolg von lynch.. Und beides betreiben sie hier definitiv nicht auf Sparflamme. Im Vergleich zu den anderen bisherigen Songs vom Album fällt dieser Track zwar ab, aber auch nur, weil man meint, irgendetwas als „noch hörenswerter“ deklarieren zu müssen.

THE BLASTED BACK BONE” geht wieder voll auf die Zwölf. Ob’s einem tatsächlich das Rückgrat bricht, sei dahin gestellt. Aber es bretzelt ordentlich aus den Lautsprechern! Nachteil aller Lieder von dem Format in lynch.s Repertoire ist die meist sehr geringe Länge der Stücke. Auch hier muss man sich mit gerade mal zweieinhalb Minuten "in die Fresse“ begnügen.

"SHADOWZ“ bietet ein ordentliches Tempo, erinnert aber zu Beginn geringfügig an XECSNOINs "CERBEROS“. Das dürfte die meisten wenig stören, weil sie XECSNOIN eh verschmähen und deren Lieder daher nicht kennen. Also ist es ja eigentlich doch was Neues. Der Refrain ist es allemal. Der Instrumentalpart in der Mitte ist gut organisiert und weiß mit ein paar Growls zu gefallen. Zumindest klingt die Band nach anderen guten Bands, auch wenn sicherlich unfreiwillig. Das letzte Drittel steigert dann noch das Hörvergnügen des ersten Instrumentaleinsatzes.

"CULTIC MY EXECUTION“ beginnt mit einer Art klassischem Piano-Intro. Die Inszenierung steht kurz vor Orchester-Niveau und macht dann doch wieder den Schlenker zu den hörenswerteren Instrumenten. Wer braucht eine Harfe, wenn er einen satten E-Bass haben kann? Die Musik beherrscht den Gesang vollkommen, der Sänger fügt sich der Übermacht und flüstert seine Zeilen in die atmosphärische Weite. Gewürzt mit ein wenig Hass klingt das Ganze im Refrain sehr deftig. In Verbindung zum Titel könnte man es auch als eine Art Gebet interpretieren. Hierdurch verstärkt sich das Gesamtbild noch einmal um ein Vielfaches. Das Saitengewitter im Refrain wirkt dann noch mal eine Schippe brutaler und macht den Song wohl zum größten Highlight des Albums.

"MARROW“ kann da gar nicht mehr mithalten, geschweige denn es toppen. So klingt die verzerrte Stimme des Sängers auf solidem instrumentalem Untergrund etwas verheizt. Man verarbeitet noch viel zu sehr das vorangegangene Lied, als dass man sich auf diesen gar nicht so uninteressanten Song konzentrieren könnte. Hätte man eher anstatt „EVILLY“ in die erste Hälfte des Albums setzen sollen, dann würde der Song nicht so unbemerkt untergehen. Wie so oft ist die Komposition nicht direkt neu, aber sehr gut neu variiert und interpretiert. Und das weiß man zu schätzen.

Bleibt nun noch die beiliegende DVD zu beurteilen:
Das PV zu "SHADOWZ"wirkt viel zu sauber, so als ob man alles direkt in HD sehen würde. Wirkt nach all den weichgezeichneten Videoclips, die man über die Jahrzehnte gesehen hat, so kalt und steril, dass die schwarzen in Stroboskoplicht getauchten Bilder wieder viel zu stylisch aussehen. Einzig die vielen Schnitte machen einen ganz kirre. Dass zum Schluss wie im Song ein Störsignal reinkommt und die „Fernsehübertragung“ unterbricht, gibt weitere Pluspunkte.

Im Making Of sieht man wie das Podest aus dem Video in Zeitraffer aufgebaut wird. Nach den ersten Aufnahmen wird man dann noch Zeuge vom Backstagebereich, in dem die Musiker ihre Verpflegung zu sich nehmen. Und dann findet immer wieder der Wechsel von Videodreh und Nebenaktivitäten statt. Bei fast 20 Minuten Bonusmaterial muss man das Lied mehrmals hintereinander hören können, nicht unbedingt was für Hasser von Dauerrotation einzelner Lieder. Man sollte sich definitiv die Zeit nehmen, die fast 24 Minuten Gesamtlänge - wenn das Video endet, startet automatisch das Making of - nicht im Schnelldurchlauf anzuschauen. Dann kann man sicher die ein oder andere interessante Kleinigkeit finden.


Fazit:
Geteert und gefedert gehört ein jeder, der das Album kauft und es dann für Monate in der Ecke vergammeln lässt, ohne es sich gleich anzuhören. Nun ist aber der Preis für Ölprodukte recht hoch und mein Kissen will ich auch nicht aufschlitzen. Ich belasse es bei mir mit einer Verwarnung. Aber alle anderen, die sich das Album nicht anhören - wenn sie es denn besitzen! - sollten mit aller Strenge des Gesetzes bestraft werden. Es kann wohl kaum angehen, dass man sich ein solches Album entgehen lässt. Für Fans sowieso ein Muss. Wenn auch nicht unbedingt in der Version mit der zusätzlichen DVD, könnte man auch als Externer durch diese zehn Songs Gefallen an der Band finden.
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Zugehörige Künstler

Zugehörige Veröffentlichungen

Album CD + DVD 2009-07-08 2009-07-08
lynch.
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