Review

Plastic Tree - Donna Donna

14/01/2010 2010-01-14 21:58:00 JaME Autor: Mika

Plastic Tree - Donna Donna

Ein Hauch von Selbstverstümmelung

Album CD

Dona Dona (Regular Edition)

Plastic Tree

Künstler: Plastic Tree
Titel: Donna Donna
Typ: Album
Release: 23.12.2009
Wertung: 6,7/10

Tracklist
01. 1999
02. Fukurou (Donna Donna Version)
03. Et cetera
04. Sunset bloody sunset
05. Consent …---…
06. Gagaji
07. Sanatorium (Donna Donna Version)
08. Donna Donna
09. ---Anten.
10. Yasashisa kurabu (Bonustrack)

An Meisterwerke wie "Puppet Show" und "Träumerei" konnten Plastic Tree jüngst eigentlich nur mit "Nega to Poji" anknüpfen - das war Mitte 2007. Seitdem beglückt uns die allseits beliebte Mew-Coverband* mit einem fragwürdigen Auf und Ab - nur wenige richtig gute Songs versteckt zwischen massenweise Mittelmäßigkeit. Die letzten Singles legten schon die Vermutung nahe, Pura avanciere zu einer B-Seiten-Band. Nachdem "Fukurou" (Review zur Single findet ihr hier) endlich einen Wendepunkt zu markieren schien, folgte mit "Sanatorium" die Rückkehr zu vermeintlich Altbewährtem - sprich, durchschnittliches Balladentum. Auf alles gefasst, mit "Fukurou"-bedingter Neugier und daraus resultierender Erwartungshaltung kam ich nicht drum herum, mich ausführlicher mit dieser CD zu befassen.

Das Album wird eröffnet von "1999" - einem Song, der mehr oder minder dem entspricht, was man inzwischen Plastic Tree-typisch nennen könnte. Pop-Rock mit eingängiger Melodie, versehen mit Lyrics in eher melancholischem Grundton. Hervorstechend ist dieser Track dennoch nicht nur aufgrund seiner Position auf dem Longplayer. Ryutarou klang selten so überzeugend und weiß zu unterhalten, die instrumentale Begleitung glänzt mit soliden Drumkünsten und nettem Akustikgitarrenpart. Der Bass geht leider zwischen den zahlreichen Synthie-Effekten etwas unter.

"Fukurou" begeistert wie schon als Single mit temporeicher Melodie und einem kraftvollen Refrain. Dramatische Unterschiede zur Singleversion gibt es eigentlich nicht. Einzig ein dröhnender Hintergrundeffekt (auf der Single die Introtöne zu "Consent" und "Bermuda triangle"), der sich durch die letzte Songhälfte zieht, fällt leicht störend auf.

Ein rostiges Quietschen leitet "Et cetera" ein. Dieser Song geht in eine ähnliche Richtung wie "1999", die Strophen etwas lahmer, der Refrain jedoch eine ganze Ecke härter. Der Sound ist insgesamt dreckiger geraten, die Melodie wirkt reduzierter - aufs Wesentliche - und verfügt dadurch über einen rockigen Charme, der spontan an frühere Zeiten erinnert. Störfaktor sind aber wieder die gegen Songende überhand nehmenden Effektspielereien. Eine auf Radio getrimmte Passage und eine derart seltsam verzerrte E-Gitarre, dass man sie kaum noch als solche erkennen kann, hätte man sich sparen können.

"Sunset bloody sunset" beginnt äußerst vielversprechend. Temporeicher, energiegeladener Rock mit einer mitreißenden Stimmung. Ryutarou singt mit viel Gefühl in der Stimme und vermittelt heftige Emotionen, was dem Song zusätzliche eine Echtheit verleiht, die man leider jüngst öfter vermissen musste. Die instrumentale Begleitung ist mehr als gelungen, wieder muss man Neuzugang KenKen für seine beachtliche Leistung am Schlagzeug loben. Hier stimmt alles. Das erste Highlight des Albums!

Bei "Consent" ist der Unterschied zur Singleversion etwas weniger unauffällig als zuvor bei "Fukurou". Der Bass klingt allgemein fetter, das ist schon gut so. Die zahlreichen zusätzlichen Effekte hingegen sind teils einfach zu krass geraten und verhunzen die an sich verdammt gute Electro-Nummer doch arg mit überladenen Parts ohne erkennbare Linie. Meinen persönlichen Berater bat ich um eine Zweitmeinung. Um den Wortlaut mal aufzugreifen: "Klingt für mich wie die Single-Version, an der sich ein 12-jähriger Dorf-Disco-DJ ausgetobt hat." Autsch.

Next up: "Gagaji". Rockiger Auftakt, inzwischen (leider!) ungewohnte Härte für die Band. Lauter, aggressiver Rock mit donnernden Drums und genialem Bass, Gitarrensound herrlich abwechslungsreich, melodischer Refrain. Die Stimmung ähnelt der des grandiosen "Reset" - lang, lang ist's her. Ganz klar: Zweiter Höhepunkt des Albums.

Im Geiste noch bei eben diesem, ruft der Plattenspielereffekt bei "Sanatorium" einem wieder ins Gedächtnis, dass man die unnötigen Effektexperimente zunehmend satt hat. Das Lied überzeugte schon als Single mit balladesker, dennoch leichter Melodie und verträumter Stimmung. Insgesamt eine gelungene Komposition. Wer sich (beispielsweise nach exzessiven StarWars-Abenden) durch Atemgeräusche irritieren lässt, konzentriert sich bei diesem Song am besten von vorneherein darauf, eben jene zu ignorieren.

"Donna Donna" ist schwierig. Erster Eindruck: Ein Besen, einfallslose Gitarrenmonotonie, Ryutarou klingt langweilig bis gelangweilt. Aufgrund der zweifelhaft-melancholischen Stimmung zieht man schnell Parallelen zu "Spica" und "Alone again wonderful world" und ich folgerte richtig, dass Ryutarou sich für Musik und Text verantwortlich zeichnet. Da der Song ausschließlich mit Gesang und minimalistischem Gitarreneinsatz auskommt, tat ich ihn also als eben jenen obligatorischen Arimura'schen Egotrip ab, ohne den keines der letzten Alben auskam. Unterm Strich: Null Punkte. Erst nachdem ich den Track ein zweites Mal anhörte, gestand ich ihm eine gewisse Eingängigkeit zu und meinte, irgendwo doch Gefühl in der Stimme Ryutarous herauszuhören. Ein dritter Durchgang berührte schließlich dezent. Ein bisschen Einsamkeit, ein bisschen Leere, ein bisschen Ohnmacht. Die Sympathie steigerte sich weiter, inzwischen läuft das Lied auch gerne mal auf Repeat.

Es folgt "---Anten", ein Szenenwechsel bei verdunkelter Bühne. Nach den ersten Tönen hält man unwillkürlich den Atem an und lauscht gespannt bis fasziniert den wenigen leisen, wenngleich stimmungsvollen Klängen. Das Tempo wird angezogen, vor lauter gelungenen Lines weiß man plötzlich nicht mehr, ob man sich nun auf die genialen Drums konzentrieren soll oder lieber doch die Ohren an die Basslinie heftet. Zusammen mit unwirklichen anmutenden Sounds entsteht eine Melodie, die schließlich immer mitreißender und stimmungsgewaltiger wird. Live bestimmt ne Bombe - ob nun als Opener, Fadeout oder Umbaupausenbeschallung. Bitterer Beigeschmack? Erinnert vielleicht zu arg an Brian Eno auf Koffein. Das eigentlich Bedenkliche? Ganze 7 Minuten gesangsfreie Spielzeit und man vermisst Ryutarou erst, als man merkt, dass der Song zu Ende ist, ohne dass man seine Stimme gehört hat.

Damit man nach "---Anten" nicht völlig eingelullt von sphärischen Klängen vergisst, dass das Restalbum relativ enttäuschend ausfiel, haben Pura für die Besitzer der regulären Pressung vorgesorgt: "Yasashisa kurabu" - 2 Minuten Bonus-Nonsens, die wirklich nicht sein mussten. Soll lustig sein. Ob man mit Tamburin bewaffnet mitsingt oder lieber genervt die Augen verdreht, bleibt jedem selbst überlassen.

Gesamtwertung? Keinen Bonus für den Bonustrack. Abzüge gibt’s auch bei "Consent", die Punkte gehen klar an die Singleversion. Da empfiehlt sich eher der Griff zur Maxi-Single, zumal mit "Bermuda Triangle" noch eine gelungene B-Seite geboten wird. Die "Sanatorium"-Single lohnt sich für "Pied Piper". "1999", "Sunset bloody sunset", "Gagaji" und "---Anten" stechen zwar positiv hervor, sind aber keine Meisterwerke. Insgesamt sind mehr als 6,7 Punkte mit viel Liebe und beim besten Willen nicht drin. Denn wirklich überzeugen oder umhauen kann "Donna Donna" nicht.
Die vermeintliche Innovation im Songwriting wird mittels effektvoller Ausstaffierungen lediglich geheuchelt, Kennern der Vorgängeralben wird sich dieser Verdacht geradezu aufzwingen. Der Trend zur Omnipräsenz der unnötigen Synthie-Elemente auf "Donna Donna" ist einfach much too much und will sich so gar nicht in das Band-Image der melancholischen Rocker einfügen. Authentizität wird allmählich Mangelware. Ryutarous Worte im Refrain von "Donna Donna" dürfen Fans gerne hoffnungsvoll als Problembewusstsein interpretieren und hoffen, dass die Jungs trotz aller augenscheinlicher Orientierungslosigkeit bald den Weg zurück zu alter Größe finden. Wir fragen uns nach diesem Album dennoch "Was ist nur los mit Plastic Tree?". Die Band scheint sich beim versuchten Spagat zwischen Indie-Style und Marktanpassung die Knochen zu brechen. Oder genauer: das Rückgrat.


*Nein, diese Aktionen sind selbstverständlich weder vergessen, noch vergeben.
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Album CD 2009-12-23 2009-12-23
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