Interview

Interview mit Kawashima Mirai von Sigh

27/02/2011 2011-02-27 12:36:00 JaME Autor: Ilmari Jalas (Metal Warning!!) + Anu & Elina (JaME Finnland) Übersetzer: Geisha

Interview mit Kawashima Mirai von Sigh

Während er auf seinen Auftritt auf dem Black Curse Over Hellsinki-Festival wartete, sprach Kawashima Mirai von Sigh mit uns über das neueste Album der Band, die japanische Metalszene und seine Nebenprojekte.


© Sigh, Eliran Kantor
Vor einigen Monaten stand ein seltener Gast auf der Bühne der Kulttuuriareena Gloria. Obwohl die Band nicht zu den beliebtesten Vertretern ihres Genres zählt, hat sie Kultstatus innerhalb der Underground-Black Metal-Szene. Zwar begannen Sigh ihre Karriere vor 20 Jahren mit traditionellem Black Metal, doch sie haben sich im Lauf ihrer langen Karriere einem einzigartigeren, experimentellen Sound zugewandt. Wie das folgende Interview zeigt, ist Bandleader Kawashima Mirai der Meinung, dass es im Metalbereich noch viel zu entdecken gibt.

Kawashima Mirai: Wir haben immer darüber nachgedacht, wie wir Musik gruseliger klingen lassen könnten. Wir haben nach einer geeigneten Arbeitstechnik gesucht. Dann fand ich heraus, dass klassische Musik des 20. Jahrhunderts oft eine großartige Atmosphäre in Horrorfilmen wie "Der Exorzist" oder "Shining" erzeugte. Wir haben viel von Horrorfilmen gelernt, beispielsweise Juxtaposition und so weiter. Ich denke, dass es im Metal noch viele unbekannte Gebiete zu erforschen gibt. In der Kunst gibt es keine Grenzen!

Japan ist traditionell eher für seine Pop- und J-Rockmusik bekannt. Welche Erfolge konntest du in deiner Heimat erzielen? Wie viele Zuschauer kommen zu deinen Konzerten?

Kawashima Mirai: Die extreme Metal-Szene in Japan ist sehr, sehr klein. Wir sind unter Metalfans weithin bekannt, aber das war's. Zu unseren Konzerten kommen nur etwa 100 bis 200 Leute. Aus irgendeinem Grund hat Japan im Ausland den Ruf, ein Heavy Metal-Paradies zu sein, aber das stimmt offensichtlich nicht! Cradle of Filth haben in Japan beispielsweise nur vor 400 Zuschauern gespielt.

Dr. Mikannibal spielt eine tragende Rolle in eurem neuen Musikvideo und hat in den Medien viel Aufmerksamkeit erhalten, weil sie eine Frau ist. Stört dich das? Befürchtest du, dass sie den Hauptteil der Aufmerksamkeit in Sigh auf sich ziehen wird und dass Sighs Musik hinter ihrem Image zurückbleibt?

Kawashima Mirai: Überhaupt nicht. Wenn mehr und mehr Leute ihretwegen unsere Musik entdecken, dann ist das großartig. Sigh ist nicht nur Musik. Natürlich ist unsere Musik das Wichtigste, aber die Welt, die Sigh erschafft, besteht aus allem - Musik, Coverartwork, Mitgliederfotos, Texte und so weiter - und ihr Image ist definitiv ein Teil davon.

Ihr seid eine der bekanntesten japanischen Bands in der westlichen Welt und ihr seid auch oft zusammen mit westlichen Bands aufgetreten. Was bedeutet es für euch, Japaner zu sein? Denkt ihr, dass ihr nur eine Band unter vielen seid, oder ist es etwas Besonderes für euch, Japaner zu sein?

Kawashima Mirai: Wir haben nie absichtlich versucht, japanisch zu klingen, aber wir sprechen eine völlig andere Sprache, leben in einer anderen Kultur und essen anderes Essen. Daher bin ich mir sicher, dass man in unserer Musik etwas Andersartiges entdecken kann, auch wenn es unbeabsichtigt ist. Wir haben ein anderes Gespür für Melodie und Rhythmus. Was mich überrascht, ist, dass es so viele japanische Metalbands gibt, die sich genau wie die führenden westlichen Bands anhören. Sie müssen sich wirklich sehr angestrengt haben, derart unoriginell zu klingen. Bewundernswert!

Im Januar ist euer neues Album, "Scenes from Hell", erschienen. Wie wurde es von euren Fans aufgenommen und was für Kritiken habt ihr bis jetzt in den Medien erhalten?

Kawashima Mirai: Die Reaktionen sind immer die selben: manche lieben es und manche hassen es! Manche behaupten, es sei unser bestes Album, während andere sagen, dass "Hangman's Hymn" besser war oder dass sie "Imaginary Sonicscape" vermissen. Das passiert jedes mal, wenn wir ein neues Album herausbringen.

Auf Sighs Alben geht es oft um lyrische Themen wie Okkultismus, Horror, Leiden und Tod. Woher kommt die Inspiration zu solchen Themen? Was für Bücher hast du als Kind oder Teenager gelesen?

Kawashima Mirai: Ich muss sagen, dass ich so geboren wurde. Selbst, als ich noch klein war, haben mich düstere Dinge wie Okkultismus, Geistergeschichten, UFOs und übernatürliche Dinge interessiert. Als ich jung war, habe ich massenweise gruselige Manga gelesen und als ich ein Teenager wurde, begann mich das dunkle Image von Metal zu faszinieren.

Auf "Scenes from Hell" findet man eine Menge orchestraler Elemente. Welche klassischen Komponisten sind deine Inspirationsquellen?

Kawashima Mirai: Ich habe über 20 Jahre lang klassischen Klavierunterricht genommen, also kann ich sagen, dass klassische Musik neben Heavy Metal mein wichtigster musikalischer Background ist. Die größte Inspiration für "Scenes from Hell" waren russische Komponisten wie Chrennikow, Kalinnikov und Tschaikowski. Diese Komponisten zeichnen sich durch die prominente Benutzung von Blechblasinstrumenten aus. Außerdem betonen russische Orchester allgemein häufig Blechbläser.

Das Gemälde auf dem Cover von "Scenes from Hell" ist sehr beeindruckend. Wer hat es gemalt und kannst du uns etwas über seine Hintergrundgeschichte und über das Konzept des Albums verraten?

Kawashima Mirai: Es stammt von Eliran Kantor, der auch Artworks für Testament, Anacrusis, Mekong Delta und so weiter gestaltet hat. Ja, mir gefällt das Artwork ebenfalls sehr - es passt perfekt zu "Scenes from Hell"! Das Album hat drei Hauptthemen: Krieg, Hölle und Tod. Deshalb gab ich Eliran ein Demo des Albums mit diesen Konzepten und nannte ein paar Künstler, wie Brueghel und Böcklin. Er hat hundertprozentig verstanden, was wir wollten, und hat seine Aufgabe wunderbar erfüllt. Das Artwork zeigt genau die Welt, die wir durch unsere Musik beschreiben wollten.

Plant Ihr derzeit ein weiteres Release?

Kawashima Mirai: Eine Vierfach-LP von "Scorn Defeat", eine Dreifach-LP von "Hail Horror Hail" und eine LP von "Eastern Force of Evil" sollen im Lauf dieses Jahres veröffentlicht werden. Weitere Releases sind ebenfalls geplant und ich denke, dass wir sie bald ankündigen können.

Was für Merchandise werdet Ihr in Finnland verkaufen?

Kawashima Mirai: Für das Festival haben wir eine spezielle 7-Zoll-EP mit 4 bisher unveröffentlichten Tracks mitgebracht. Außerdem gibt es exklusive T-Shirts!

Wie bereitet Ihr Euch mental auf ein Konzert vor?

Kawashima Mirai: Naja, wir machen nichts Besonderes. Ich spiele seit 20 Jahren in Sigh, also kann ich mich jederzeit und an jedem Ort auf ein Konzert vorbereiten. Es ist ehrlich gesagt schwieriger, sich körperlich fit für Konzerte zu halten. Ich versuche immer gut bei Stimme zu bleiben, indem ich gut esse, viel schlafe und vor Auftritten nicht zu viel fi***.

Ich frage mich schon lange, ob eine Verbindung besteht zwischen der Single "Zombie/Terror" von Death SS aus dem Jahr 1980 und dem Song "The Zombie Terror" (von dem Album "Infidel Art") von Sigh? Als großer Fan von italienischem Horror Metal muss ich das wissen!

Kawashima Mirai: Nein, zwischen den beiden Songs gibt es keine Verbindung. Ich muss jedoch gestehen, dass ich ein großer Fan von italienischem Düsterkram wie Death SS, Paul Chain, Run After To, Black Hole, Requiem und so weiter bin. Ich besitze viele seltene Vinylschallplatten, beispielsweise die erste LP von Black Hole!

Was für Filme und Filmsoundtracks haben deine Arbeit beeinflusst?

Kawashima Mirai: Ich mag besonders italienische und spanische Zombiefilme wie "Ein Zombie hing am Glockenseil", "Über dem Jenseits", "Das Haus an der Friedhofsmauer", die "Reitende Leichen"-Serie, "Die Rückkehr der Zombies" und so weiter. Meine Lieblingskomponisten sind Fabio Frizzi, John Carpenter und Jerry Goldsmith. Leider habe ich heutzutage zu viel zu tun, um mir Filme anzusehen, also schaue ich statt dessen TV-Serien wie "Night Gallery" und "Unwahrscheinliche Geschichten".

Ihr habt ein Venom-Tribute-Album veröffentlicht. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Außerdem gibt es eine ähnliche EP aus dem Jahr 1995. Plant ihr, sie wiederzuveröffentlichen, da sie ursprünglich ein Bootleg war? Gibt es eine andere Band, für die ihr gerne ein Tribute-Album machen würdet?

Kawashima Mirai: Der wichtigste Grund dafür war, dass wir riesige Venom-Fans sind! Schon auf unserem allerersten Konzert 1990 haben wir "Schizo" gecovert. Als Dr. Mikannibal bei Sigh einstieg, wollten wir sie unseren Fans vorstellen, aber ein neues Album aufzunehmen erfordert Zeit, also dachten wir, dass ein Tribute-Album eine gute Idee sei. Das ursprüngliche Venom-Tribute von 1995 war übrigens nur eine Tonbandaufnahme von einem Livekonzert und, ja, ich denke, dass es eine der LP-Wiederveröffentlichungen sein wird, die wir für dieses Jahr planen. Abgesehen von Venom wären Celtic Frost vermutlich geeignete Kandidaten für ein Tribute-Album.

Bitte erzähl uns etwas über deine Aktivitäten als Studiomusiker oder Gastmusiker. Gibt es Pläne für Cut Throat? Was ist mit Necrophagia, Gorelord und so weiter? Was war dein jüngstes oder faszinierendstes Projekt?

Kawashima Mirai: Das jüngste ist ein Projekt mit Danny Lilker. Wir wollen versuchen, etwas richtig Gruseliges zu machen! Ehrlich gesagt mache ich derzeit nicht so viele verschiedene Sachen gleichzeitig, weil ich mich auf Sigh konzentrieren möchte. Ich bin bei Necrophagia ausgestiegen, weil es zu viel Zeit in Anspruch nahm. Cut Throat ist auch schon seit Jahren inaktiv. Yasuyuki hat die Hände voll mit Abigail und ich mit meinen Sachen, deshalb ist es leider schwer, das Projekt am Leben zu halten.

Was denkst du über das neue Burzum-Album und über Vargs Comeback? Hattest du schon Gelegenheit, dir "Belus" anzuhören? Und bitte erzähl uns etwas über die Zeit von 1990 bis 1993, als du mit ihm in Verbindung gestanden hast. Was für Kontakt hattest du zu ihm?

Kawashima Mirai: Leider habe ich "Belus" noch nicht gehört. Wir haben uns ab und an geschrieben. Er sprach offen darüber, dass er Kirchen niederbrennt und sagte, ich solle welche in Japan niederbrennen. Anfangs gab es keine Spannungen zwischen uns. Euronymous hat Burzum sehr geschätzt, aber nachdem er seinen Plattenladen aufgrund des Mediensturms, der durch Vargs Brandstiftungen entfesselt wurde, schließen musste, schien alles aus dem Ruder zu laufen. Jedenfalls war es auch für mich eine Erfahrung.

Du hast oft über historische Kriege gesungen. Was denkst du über Krieg? Was war dein Ziel, als du über die große, letzte Schlacht gesungen und die fünf bösen Gottheiten Kongo-Yasha, Fudo, Gundali, Daiituko und Gozanze heraufbeschworen hast? Was bedeutet der 5. Mai für dich?

Kawashima Mirai: Krieg ist Geschäft. Manche Leute verdienen eine Stange Geld daran. Krieg ist nicht nur eine einfaches Aufeinanderprallen von Religion oder Politik, deshalb wird es nie Weltfrieden geben. "Ready for the Final War" ist eher ein okkulter Song. Man glaubte, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn wir am 5. Mai eine Mondfinsternis hätten.

Was erwartest du von eurem Auftritt in Finnland und was weißt du über das Land? Gibt es deiner Meinung nach Gemeinsamkeiten zwischen Finnland und Japan?

Kawashima Mirai: In Japan ist Finnland vor allem für drei Dinge bekannt: Sauna, den Weihnachtsmann und die Mumins. Jeder kennt diese drei Sachen. Ich persönlich denke allerdings zuerst an Sibelus. Ich bin mir nicht sicher, ob es Gemeinsamkeiten zwischen der finnischen und der japanischen Kultur gibt, aber ich habe einmal gehört, dass es sehr schwer sein soll, Finnisch zu lernen. Japanisch lernen ist ja auch sehr schwer, also könnte das vielleicht eine Gemeinsamkeit sein?

Die letzten Worte dieses Interviews überlasse ich dir!

Kawashima Mirai: Vielen Dank für dieses Interview! Wir freuen uns aufrichtig darauf, in Finnland zu spielen! Bis dann!
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