Künstler: hide
Titel: Hide your face
Typ: Album
Veröffentlichung: Februar 1994
Stil: Rock/Pop/Techno/Industrial/Country/ect.
Bewertung: 10/10
Tracks:
01: Psychommunity
02. Dice
03. Scanner
04. Eyes love you (T.T. Version)
05. D.O.D. (Dring Or Die)
06. Crime of Breen St.
07. Doubt (Remix Version)
08. A Story
09. Frozen Bug '93 (Diggers Version)
10. T.T. Groove
11. Blue Sky Complex
12. Oblaat (Remix Version)
13. Tell me
14. Honey Blade
15. 50% & 50% (Crystal Lake Version)
16. Psychommunity EXIT
"PSYCHOMMUNITY"
Begrüßt wird man am Anfang des Intros erst mal von einer rückwärts abgespielten Melodie, deren Lautstärke sich zunehmend steigert. Anschließend setzt eine volle und angenehme Melodie ein, die den Auftakt einer "großen Sache" zu verkünden scheint. Nach gut vier Minuten geht dieser grandios gestaltete Opener über in den ersten richtigen Track.
"DICE"
Das anfänglich zündelnde Feuer, das "PSYCHOMMUNITY" bereits entfacht hat, breitet sich bei "DICE" weiter aus. Ein harter, leicht blecherner Rhythmus mit den für hide typischen Gitarrenparts. Der Titel ist gut für die erste Position nach dem Intro gewählt, da man aufgrund des Rhythmus und der allgemein harschen Atmosphäre des Liedes regelrecht dazu gedrängt wird, selbigem seine Aufmerksamkeit zu schenken.
"SCANNER"
Aber es geht noch härter - das beweist das Folgestück "SCANNER". Noch schneller, noch gnadenloser; hides Stimme scheint bei der Dominanz seiner Musik mithalten zu wollen und so kann es passieren, dass der Gesang an ein Bild angespannter Muskeln erinnert.
"Eyes love you (T.T. Version)"
Nach den zwei harten Stücken geht es mit "Eyes love you", seiner allerersten Solo-Single, deutlich harmonischer weiter. Schon allein das melodische Gitarrenintro hat Ohrwurmcharakter und brennt sich schnell ins Gedächtnis des Hörers ein. Allgemein scheint es aber so, als habe hide sich bei diesem Lied in Sachen Gitarrenspielarten gründlich ausgetobt, kombiniert er doch im Laufe der Strophen und der Bridge verschiedene Spielarten miteinander, die trotz ihrer hörbaren Unterschiede alle irgendwie vorbildlich miteinander harmonieren. Doch trotz der angenehmen Melodie sollte man nicht vergessen, dass es sich bei diesem Song um einen von hide handelt und auch wenn er den Text zu diesem Stück ausnahmsweise mal nicht selbst geschrieben hat, erinnert der vulgäre Inhalt doch irgendwie stark an ihn.
"D.O.D. (Drink Or Die)"
Und abermals wird ein paar Gänge nach oben geschaltet. Der rasende Rhythmus von "D.O.D." wirkt schon fast hektisch, wie ein Tier auf der Flucht - oder jemand, der schnell etwas los werden will und gleich wieder weiter muss. Eine Parodie auf den allgemeinen Alkoholkonsum. Fast ein wenig zynisch in Anbetracht der Tatsachen, wie hide sich von der Welt verabschiedet hat.
"CRIME OF BREEN St."
Die erste "Album-Bridge". Viel zu selten auf Musikalben angewand und wenn dann allerhöchstens bei Konzeptalben. Auch hier hat hide mal wieder aufgezeigt, dass es auch anders geht. Man stellt sich vor, wie man durch dunkle Straßen geht, von denen viele kleine, noch dunklere Seitenstraßen abgehen. Ein Straßenmusiker spielt eine kleine, verträumte Melodie und ganz weit hinten miaut eine einsame Katze (besser bekannt als I.N.A., hides Programmierer). Dieses Mini-Stück hat hide mit eingebaut, um eine kleine Pause zwischen "D.O.D." und dem anschließendem "Doubt" einzulegen; eine Pause in der man kurz verschnaufen kann...
"DOUBT (Remix Version)"
... bevor man dem hämmernden Rhythmus der Remix-Version von "Doubt" ausgesetzt ist. Die Stimme technisch stark manipuliert, die Gitarren rotzfrech und knallhart, kennen keine Gnade. Es scheint so, als hätte hide hier mit so wirklich allem, was in irgendeiner Weise Krach verursacht, herum experimentiert.
"A STORY"
Kaum zu glauben, aber auf diesem Album versteckt sich mittendrin doch tatsächlich auch noch eine Ballade! Nach den lauten Klängen vom Vorgänger wirkt der Anfang von "A story" regelrecht schüchtern, wie die Akustikgitarre da so vor sich hinplätschert. Doch dann traut sie sich doch noch, einen Zahn zuzulegen. hides Stimme findet hier auch wieder Ruhe drin und erzählt vom Zustand, wenn man nach langer Kriegszeit sein unterirdisches Versteck endlich wieder verlassen kann und das erste Mal seit Langem wieder den Kopf über die Erdoberfläche schiebt.
"FROZEN BUG '93"
"I feel like a bug" lautet das einleitende Motto dieses Stücks, das sein Debut bereits ein Stückchen früher feierte, nämlich im Jahre 1993 (ein Jahr vor Erscheinung des Albums "Hide your face") und in Zusammenarbeit mit den beiden LUNA SEA Saitenspielern J und Inoran. Für "Hide your face" hat hide den Song jedoch nochmal neu aufgenommen und abgemischt, was deutlich am leicht verändertem Rhythmus und der Instrumentalisierung zu hören ist. Und obwohl es im Stil des übrigen Albums gehalten ist, spürt man doch irgendwie ansatzweise, dass dieses Stück woanders seine Wurzeln hat...
"T.T. GROOVE"
Wieder eine sogenannte "Album-Bridge", aus ähnlichen Gründen wie schon bei "Crime of Breen St.". Nur gab es beim "T.T. Groove" noch zusätzlich die Tatsache, dass einer von hides Studiomusikern, T.T., irgendwann während der Aufnahmen zu "Honey Blade" diese kleine Melodie spielte. Da hide ein anderes Ending für "Honey Blade" geplant hatte, ihm diese Melodie aber gefiel, kreierte er kurzerhand "T.T. Groove" draus. Und grooven tut der Song, trotz seiner Kürze, auch.
"BLUE SKY COMPLEX"
Musikalische Berührungsängste kannte hide ja bekanntlich kaum, und so hat er bei diesem Song einfach mal eine Handvoll Bläser integriert. Selbst für dieses Album ein ungewohnter Sound, an den man sich aber durchaus schnell gewöhnt wenn man mit hides übrigen Arbeiten auch schon sympathisiert hat. Wieder sehr schön zum Einsatz kommen hier die Gitarren in der Bridge. Und selbst das Tamburin harmoniert mit dem Gesamtprodukt des Songs und wirkt nicht wie ein störender Fremdkörper.
"Oblaat (Remix Version)"
Man hätte den Vorgängersong eigentlich nahtlos in das Folgelied "Oblaat" übergehen lassen können, denn auch wenn beide Lieder eine unterschiedliche Atmosphäre ausstrahlen, ähneln sich das Outro von "Blue Sky Complex" und das Intro von "Oblaat" erstaunlicherweise. hides Schlachtruf "Never mind my friends!" geht auch hier wieder schnell ins Ohr und nur langsam wieder raus. Ein deutlicher Energiebringer mit herrlich verschobener, verstellter und schräger hide Stimme, wie man sie liebt.
"TELL ME"
Rockpop vom Feinsten wird anschließend mit "Tell me" geliefert. hides Stimme hat hier wieder einen harmonischeren Klang und die Melodie lädt zum Mitsummen oder doch allermindestens zum Mitwippen des großen Zehs ein. Vermutlich zusammen mit "Eyes love you" die beliebteste Single aus diesem Album. "Singing my song for me..."
"Honey Blade"
Für brisante und tabuisierte Themen war hide in seinen Arbeiten ja bekannt und so hat er sich in diesem Song einer inzestiösen Liebe gewidmet. Am Anfang wird auch gar nicht lange gefackelt, sondern schon beim dritten angeschlagenem Takt mit dem scheinbar noch so unschuldigem Gesang eingesetzt, der sich aber bereits im ersten Refrain zu einer dreckigeren und unverfroreneren Tonlage mausert. Dieses Spiel zwischen Reinheit und Verdorbenheit der Stimme zieht sich durch den gesamten Song und wechselt sich immer wieder gegenseitig ab. Das Zusammenspiel von Gitarre, Bass und Drums ist hier bereits ein gut eingefahrenes Gespann, das man irgendwie nicht mehr missen möchte.
"50% & 50% (Crystal Lake Version)"
Ein schöner Sommertag am See, die Vögel zwitschern, man sucht im Radio nach passender Musik - bis selbiges irgendwann einfach abgestellt wird und man sich lieber der mitgebrachten Akustikgitarre widmet, um gleich eine flotte Melodie anzuschlagen. Das Liedchen hat einen ungewohnten Western-Style, schlägt dann nach ungefähr der Hälfte aber urplötzlich um in eine deutlich rockigere Variante. Gegen Ende hin scheint hide auch mal wieder am Durchdrehen zu sein und seine gewohnt irre Stimme, die sich offenbar schon selbstständig gemacht hat, steht kurz vor dem Überschlag. Und dann hörte man nur noch die Vögel.
"Psychommunity EXIT"
Anhand der epischen Spiellänge von fast zwanzig Minuten kann man sich bei diesem Stück, Welches als Outro dient, ausmalen, dass hide die Aufnahmen zu seinem ersten Solo-Album scheinbar nur ungern beenden wollte. Eine Schallplatte wird mit ständig hakender und springender Nadel abgespielt, zu hören ist die bereits bekannte Melodie aus dem Intro. Im Hintergrund sind vereinzelte Alltagsgeräusche zu vernehmen, jemand geht durch den Raum, ein Irrer hat seine drolligen fünf Sekunden, Videospiele werden gespielt... Irgendwann rutscht die Plattenspielernadel in die Leerrille ab und rotiert dort minutenlang weiter. Bis sich irgendwann jemand erbarmt und -.
Fazit:
Eines der besten, vollkommensten, fantasievollsten und musikalisch reichhaltigsten Alben, die ich je zu hören bekommen habe. Und für ein Debutalbum eines Solo-Künstlers umwerfend gut, wobei ihm dafür mit großer Wahrscheinlichkeit die diversen Erfahrungen seiner vorherigen musikalischen Projekte und Bandaktivitäten nicht ganz ungelegen kamen. Ich denke man erwischt nicht oft Künstler, die scheinbar so wenig Scheu davor haben, die unterschiedlichsten musikalischen Stile (Rock, Techno, Pop, Western/Folk, Industrial, ect.) miteinander zu kombinieren - und dabei auch noch solch einen harmonischen Ausgleich schaffen! Man könnte fast denken, schade, dass hide nur so wenig Studio-Alben rausgebracht hat. Aber ich denke, das was er veröffentlicht hat, ist eine extrem reiche Inspirationsquelle, an der sich jedermann begnügen kann und in der man auch nach Jahren immer noch wieder was Neues entdecken kann.